Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
besonders sorgfältig hatte sie den tiefen Riss in meinem Oberschenkel verarztet. Die Abdrücke der Fangarme erforderten keine Behandlung, da sie die betroffenen Stellen zwar gereizt aber nicht aufgebrochen hatten. Sie erinnerten auf verblüffende Weise an die Druckstellen, die mir das Luvium vor gefühlten Ewigkeiten am Kap Longreach verpasst hatte. Krister protestierte nur anfänglich, genoss es dann aber unverkennbar, die Schrammen und Kratzer auf seinem Oberkörper versorgt zu bekommen.
„Euch kann man nicht alleine zum Spielen schicken“, bemerkte Avalea mit zuckenden Mundwinkeln. „Jetzt halt still, ich bin ja gleich fertig.“
Wir gönnten uns eine längere Pause, immer wieder unbehagliche Blicke auf den dunklen Kanal werfend. Mein Schock ließ etappenweise nach. Im Nachgang schämte ich mich dafür, so schnell mit dem Leben abgeschlossen und das drohende Ende so widerstandslos angenommen zu haben. Ich erzählte meinen Freunden nichts davon, vielleicht irgendwann einmal, aber augenblicklich hielt ich es nicht für angebracht.
„Kaum zu glauben, dass ich noch heute Morgen in diesem verfluchten See geschwommen bin“, sagte Luke kopfschüttelnd. „Aber wer ahnt denn, was für merkwürdige Kreaturen hier heimisch sind.“
„Es war ganz und gar mein Fehler“, schloss ich. „Ich bin überzeugt, dass dieses Wesen von meinem blutenden Bein angelockt wurde.“
„Sehr gut möglich“, bestärkte mich Avalea. „Ich gebe zu, nicht mit einem Kronodon gerechnet zu haben. Nicht so nah in Ufernähe. Aber tiefe Kanäle bergen immer Gefahren, egal ob im offenen Meer oder in Seen. Wir waren sehr leichtsinnig. Der Taorsee ist nicht unser Freund.“
Nein, das war er tatsächlich nicht. Mein Respekt vor diesem Gewässer stieg deutlich, und das Wissen, mich bald auf einem Floß wieder auf ihm zu befinden, seinen Launen und den in ihm lebenden Kreaturen ausgesetzt zu sein, sorgte für weitere Beklemmung. Doch ich war mir sicher, dass dies nur vorübergehende Nachwirkungen der vergangenen Ereignisse darstellten. Mein Wille, die Feuerinsel zu erreichen, überwog bereits wieder.
In der Folge packten wir unsere Siebensachen zusammen und machten uns auf den Weiterweg, der sich mit Schuhen an den Füßen als deutlich einfacher erwies. Der Weg um die Felsnase herum stellte die einzige Schwierigkeit dar, die wir jedoch sicher meisterten. Allerdings verblieb die diffuse Angst vor unbekannten Gefahren aus dem See, als wir dicht über seiner Oberfläche entlang klettern mussten. Keiner sprach davon, aber die Furcht vor aus dem Wasser schnellenden Tentakeln, die nach uns griffen, war allen ins Gesicht geschrieben.
Unangefochten erreichten wir endlich das Tagesziel. Von den Felsen in den goldbraunen Sand herunter zu springen war eine Erlösung. Wir hatten das östliche Ende der Bucht erreicht. Leichter Wind kam auf, der die Kronen der uns sacht zunickenden Bäume bewegte. Das leise Rauschen der Blätter, das fröhliche Rufen dahinschnellender Seevögel, welche über unseren Köpfen kreisten, vermischte sich mit dem sanften Plätschern feiner Wellen, die am Ufer sacht in sich zusammenfielen. Fast ein Idyll. Aber nur fast. Die Wesen innerhalb des Sees stellten zwar im Augenblick keine Gefahr dar, doch niemand vermochte abzuschätzen, welche Kreaturen außerhalb des Wassers ihr Unwesen trieben. Außer den Mithankor – schlimm genug – waren wir bisher vor Begegnungen mit potenziell bedrohlichen, landbewohnenden Geschöpfen verschont geblieben. So ließ ich mich nicht von der einladenden Kulisse der anmutigen Bucht blenden. Ein Teil von mir verblieb in Alarmbereitschaft.
Um nicht zu viel Zeit zu verlieren, beschlossen wir, unser Lager gleich in Ufernähe aufzuschlagen. Wir fanden schnell einen passenden Platz zwischen zwei Felsblöcken, die wie Schneidezähne aus dem Boden ragten und gewissen Schutz vor Wind boten. Wir breiteten die feuchten Decken in der Sonne aus, in der Hoffnung, sie bis zum Abend wieder trocken zu sehen, und machten uns an die Arbeit. Krister kramte sein Angelzubehör hervor und versprach zum Abendessen frischen Fisch, bevor er in Richtung Ufer verschwand. Luke und Avalea begaben sich gemeinsam auf die Suche nach Knollen, Früchten und anderem essbarem Grünzeug. Ich bat sie, nach Lianengewächsen Ausschau zu halten, die sich meiner Erfahrung nach ideal für den Floßbau eigneten. Mit Kristers Beil bewaffnet machte ich mich daran, geeignete Bäume zu suchen, deren Stämme für mein Vorhaben brauchbar
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