Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
ging immer rasanter vonstatten. Die Entwicklung vom primitiven Affen bis hin zum hochintelligenten Menschen benötigte gar nur noch fünf Millionen Jahre. Doch ein Strickmuster blieb dabei immer gleich. Jedes Lebewesen musste seine eigene Kinderstube durchleben, es gab schlicht keinen naturgegebenen Weg, diese Grundstufe zu umgehen. Alles basierte letztendlich auf jenem uralten Konzept, dem des Einzellers. Ich habe jedoch der Natur gezeigt, dass es schneller geht. Viel schneller.“
Er hielt inne, als wartete er erneut auf eine anerkennende Reaktion. Wie albern es sich anhörte, dieses in meinen Ohren utopische Geschwafel aus dem Mund eines Jungen kommen zu hören, der aussah, als verweigerte er seit Wochen die Nahrungsaufnahme. Es wollte so gar nicht zusammenpassen. Aber ich zweifelte keinen Augenblick am Wahrheitsgehalt dessen, was mir soeben zuteil wurde. Avaleas Berichte und Alpha Cantrell selbst waren der lebende Beweis für die Unwiderlegbarkeit der Aufzeichnungen von Radan. Und auch der Beweis für den unvollkommenen Untergang des alten Laurussia. Zumindest auf dieser Insel mitten im Taorsee lebten seine Erben fort.
„Du willst mir also sagen, du bist einer von jenen, die vor mehr als tausend Jahren von Vestan aufgebrochen sind, um neue Welten zu besiedeln?“ fragte ich mit fester Stimme. Meine Handgelenke begannen unangenehm zu brennen.
„Gut informiert, Jack Schilt“, sagte Cantrell. Ich hatte das Thema gewechselt ohne ihm jene Anerkennung zu zollen, nach der ihm offensichtlich verlangte. Die Enttäuschung darüber spiegelte sich nur kurzzeitig in seinem fahlen Antlitz wider.
„Wie ist es möglich, eine fünfhundert Jahre währende Reise zu überleben? Und noch dazu durch das Weltall?“ Was ich viel lieber hätte fragen wollen, wäre, wie ein über tausend Jahre alter Mensch das Aussehen eines jungen Mannes haben konnte, der erst vor zwei Dekaden in Cape Travis geboren worden war.
„Von dieser Reise haben wir in den Schockfrostkammern nicht viel mitbekommen“, antwortete er. „Unsere Körper waren tiefgefroren, mehr als ein halbes Jahrtausend lang. Geniale Technologie, fürwahr. Die Britannic, unser Schiff, klapperte völlig selbstständig ein Sonnensystem nach dem anderen ab. Wir, Besatzung und Passagiere, die kostbare menschliche Fracht, schliefen dabei einen zeitlosen Schlaf. Scanner untersuchten automatisch jeden Kandidaten, will sagen Planeten, auf Herz und Nieren. Uns war bei der Abreise klar, dass die Reise in andere Galaxien lange dauern würde, sehr lange... und innerhalb von fünfhundert Jahren kann sich viel Unvorhergesehenes ereignen. Oh ja, es kann viel schief gehen.“
„Das nehme ich an“, sagte ich forscher als ich mich fühlte. „Und darf ich erfahren, was genau schief gegangen ist?“
Cantrell winkte unwirsch ab.
„Was interessiert es dich?“
„Ich würde gerne etwas mehr darüber wissen, wo ich herkomme. Ist das so abwegig?“ gab ich ihm mutwillig provokativ zur Antwort. Ich wollte ihn weitersprechen sehen, wollte Zeit gewinnen. Irgendwie musste es mir gelingen, mich zu befreien.
Cantrell zögerte, bevor er mir den Gefallen tat.
„Wissbegier ist eine vorteilhafte Eigenschaft, mein lieber Jack Schilt. Niemand kann sagen, ich unterstütze so etwas nicht.“ Nach einer wohlwollenden Pause fuhr er fort. „Irgendwann kurz vor Ende der Reise ereignete sich ein flüchtiger Energieausfall, nur kurze Zeit, aber lange genug, um uns vertrauensvoll Schlafende nachhaltig in Mitleidenschaft zu ziehen. Populär ausgedrückt wurden wir leicht angetaut, aufgrund der physikalischen Eigenschaften der Kammern die einen mehr, die anderen weniger. Als die Energie wieder einsetzte, war es für einige zu spät. Vierunddreißig krepierten sofort, über hundert erlitten schwere körperliche oder geistige Schäden. Aber sie überlebten.“
„Und einer dieser Überlebenden bist du?“
„Scharf kombiniert“, knurrte Cantrell. „Einer dieser Überlebenden bin ich. Ironischerweise war die Mission kurz darauf erfüllt, ein Exoplanet mit vestanähnlichen Bedingungen gefunden. Besatzung und Passagiere konnten ihren Jahrhunderte langen Schlaf beenden. Wie du bereits weißt, nicht alle. Konteradmiral Emmet Willer befand sich unter den Opfern dieses kleinen technischen Versagens. Der Name dürfte dir etwas sagen, die erste Siedlung Gondwanalands trägt seinen ehrwürdigen Namen. Zu Recht. Willer war ein großartiger Mann, eine Führungspersönlichkeit wie ich keine zweite kenne. Ein
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