Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
unersetzlicher Verlust für die junge Kolonie, fürwahr. An seine Stelle trat Erik P. Sawyer, seines Zeichens Kapitänleutnant, nun ranghöchster Offizier und Oberbefehlshaber.“
Cantrells Gesichtszüge vereisten, als er jenen Namen sichtbar angewidert erwähnte. Dann gesellte sich Sarkasmus in seine Stimme.
„Ich verstehe nicht, wie man auch eine Siedlung nach
ihm
benennen konnte. Ein vollendeter Versager, unfähig, die unterschiedlichen Kräfte zu einen, ausnahmslos ungeeignet, eine Kolonie aufzubauen. Aber dafür voller Verachtung für die Forschung. Wissenschaftler schlechthin waren ihm ein Graus, Jack Schilt, er fürchtete ihr Können und ihre Leistungsfähigkeit. Oh ja, er genoss es zu sehen, dass ich, sein Feindbild Nummer eins, zum Krüppel geworden war. Meine körperlichen Schäden waren irreparabel, doch mein leidenschaftlicher Wille ungebrochen!“
Cantrells Stimme nahm wieder spürbar an Fahrt auf.
„Nichts konnte mich aufhalten, die Forschungen fortzuführen, auch wenn einzig und allein mein Gehirn noch perfekt funktionierte. Und wir forschten, oh ja. Einzigartige Ergebnisse haben wir erreicht. Die Wissenschaft hat am Ende triumphiert, auch wenn die Führung“, und das Wort ‚Führung’ spuckte er wie angeekelt aus, „gegen uns war.“
Wie ein körperlich geschädigter Mensch sah Cantrell nun nicht aus, fand ich. Gut, er ging merkwürdig, zog das linke Bein etwas nach. Von schweren Beeinträchtigungen konnte man jedoch beim besten Willen nicht sprechen.
„Ah, mein Geist wurde nur noch stärker, nun, da mein Körper schwach war. Was liegt näher, sich einen neuen zu beschaffen?“ Der Wissenschaftler sah mich wachsam an. Avaleas wüste Erzählungen von den irrsinnigen Dingen, die sich in Hyperion einst abgespielt hatten, kamen mir mit Nachdruck in den Sinn.
Cantrell entfernte sich ein Stück von mir, bevor er fortfuhr. Leider spann er den Faden nicht weiter, sondern knüpfte an anderer Stelle an. „Um eine Kolonie aufzubauen, benötigt es weitaus mehr als ein paar Hundert Neuankömmlinge. Unmengen von Aufgaben standen zur Bewältigung an. Wälder roden, Unterkünfte errichten, Felder anlegen und so weiter und so fort. Die Zeit drängte. Ja, für diese Dienste war ich plötzlich wieder gut genug. Sawyer forderte tausend Skiavos für den schnellen Aufbau von Willer und er bekam sie. Innerhalb eines Monats. Hätte er nicht ein wenig dankbarer sein können? Nein, er schwelgte in der irrigen Annahme, mich befehligen zu können. Nicht nur mich, auch meine Kinder. Welch armseliges Geschöpf! Er forderte mich sogar auf, alle Skiavos nach Beendigung ihrer Aufgaben zu liquidieren, er ahnte wohl, dass sie mir weitaus loyaler gegenüberstanden als ihm. Damit sollte er Recht behalten. Meine Skiavos sind dafür gedacht, zu dienen, nicht Menschen zu töten... aber Ausnahmen bestätigen die Regel, wie man so schön sagt, und dies war eine sehr befriedigende Ausnahme.“
Cantrell grinste unheilvoll.
Mir schauderte.
„Auf Sawyer folgte Fogerty. Er sollte der letzte aus den alten Kommandostrukturen Vestans sein. Ein relativ junger Mann, wie alt war damals? Fünfunddreißig? Vierzig? Unwichtig. Fogerty erwies sich als kooperativ, oh ja. Er ging den Fehler nicht ein, sich gegen mich zu stellen. Er wusste, wir mussten alle an einem Strang ziehen, wollten wir überleben. Und das wollten wir ja nun mal alle. Ah, wie unsere Kolonie gedieh! In den folgenden zwei Jahrzehnten entwickelte sich Willer zu einer richtigen Stadt. Nicht so eine dieser armseligen Bretterbudensiedlungen wie du sie kennst. Oh nein! Vitrokuppeln wohin man sah. Biomasseproduktionsanlagen in Hülle und Fülle. Den Menschen ging es gut. Dank fortschrittlichster Technik mangelte es an nichts. Die Kolonie zählte damals siebentausend Menschen, hatte sich also mehr als vervierfacht. Und der Bedarf an Arbeitskräften wuchs und wuchs. Skiavos waren in diesen Tagen sehr begehrt, und ich produzierte sie. Ja, meine Kinder waren beliebt. In jedem Haus. Für jede Tätigkeit. Bald sah ich keinen Menschen mehr einen geregelten Tagesablauf nachgehen. Warum auch? Meine Skiavos funktionierten reibungsloser und eindeutig zuverlässiger. Die Menschen veränderten sich. Aus den motivierten, ehrgeizigen freien Siedlern und ihren Abkömmlingen wurden Nichtsnutze, Schwächlinge, Abhängige. Sie vergaßen zum überwiegenden Teil, aus welchem Grund sie einst die Reise in eine neue Welt angetreten hatten, und ihre Nachkommen, die nur Gondwana kannten, verloren sich
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