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Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)

Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)

Titel: Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Thiele
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in seinen rotgeäderten Augäpfeln aufflackern. Wie eine bedrohliche Mauer verharrte er einen halben Meter vor mir. Unfähig ein Wort zu sagen stand ich einfach da. Was hätte ich erwidern sollen? Es gab nichts zu sagen. Nichts. Nicht ein Wort, das seine Qualen hätte besänftigen oder den in seinen Augen so schwerwiegenden Verrat rechtfertigen können. Ich fühlte mich in diesem furchtbaren Moment so sehr schuldig, ich hätte mich widerstandslos von ihm totschlagen lassen.
    Noch zögerte er. Sein gebrülltes „Rede mit mir!“ erreichte das genaue Gegenteil. Mit aussdruckslosem Gesicht stand ich weiterhin vor ihm. Er interpretierte es als Provokation und schlug ohne jede weitere Warnung zu.
    Ich sah die Faust auf mich zurasen und schloss gefasst die Augen. Zwei ganz kurz aufeinander folgende Treffer genügten und ich knickte in den Knien ein. Wie durch dunkle Schleier vernahm ich wiederholt Savas Namen, gefolgt von unverständlichem Wortschwall, der mein erschüttertes Gehirn nur noch bruchstückhaft erreichte. Ich verspürte so etwas wie Schmerz, konnte ihn jedoch nicht lokalisieren. Ein dritter Hieb fegte mich endgültig von den Beinen. Mein dröhnender Schädel knallte ordentlich irgendwo gegen. Nach Luft ringend schlug ich die Augen auf und bekam den Faustschlag Lukes mit, welcher wuchtig an Kristers Kinnlade detonierte und meinen vor mir thronenden Peiniger von den Füßen riss. Dann wurde es dunkel.
    Ich weiß nicht, wie oft sich Krister für seinen Aussetzer entschuldigte. Wahrscheinlich dreihundertsiebenundvierzigmal. Ebenso oft gestand ich ihm zu, alles Recht der Welt gehabt zu haben, mich zu verprügeln. Aus späterer Sicht tat es ihm noch viel mehr leid. Ich glaube, er hat sich nie ganz dafür verziehen. Ich ihm dafür umso mehr. Sogar Dankbarkeit empfand ich, denn obwohl ich für den in seinen Augen schlimmen Verrat im Prinzip nichts konnte, fühlte ich mich dennoch besser, ihn „gesühnt“ zu sehen.
    Ganz und gar nicht gut ging es mir jedoch, als ich mich mühsam hochrappelte. Krister verfügte auch in heruntergekommenen Zustand noch über Bärenkräfte – und es war nicht das erste Mal, von ihm eins auf die Mütze zu bekommen – aber an diesen Treffern sollte ich noch lange laborieren. Der Schädel brummte noch tagelang. Womöglich lag es vor allem an Haken Nummer drei, der mir um ein Haar den Unterkiefer gebrochen hätte. Wie durch ein Wunder waren alle Zähne heil geblieben, auch wenn mir das Kauen in der darauffolgenden Zeit schwer fiel. Da es allerdings nicht viel zum Kauen gab, hielt sich dieses Problem in Grenzen.
    Aber noch etwas anderes war geschehen. Etwas durchaus Erfreuliches, insofern man in unserer Situation noch von Freude sprechen konnte. Dass es Luke gelungen war, Krister mit einem Schlag niederzustrecken, ließ ihn in den Augen des älteren Bruders mächtig an Ansehen gewinnen – trotz arg lädierter Kauleiste. Von diesem Tag an habe ich Krister nie wieder abfällig über seinen „kleinen“ Bruder reden hören. Und auch wenn sich beide immer wieder in die Haare gerieten, von nun an standen sie in Augenhöhe auf gleicher Stufe.
     
    Anderthalb Tagesmärsche später erreichten wir Kellswater. Trotz besseren Wissens freute sich ein unbelehrbarer Teil von mir grenzenlos auf ein Wiedersehen mit Laura. Wie sehr ich die wenigen glücklichen Tage und Nächte mit ihr verdrängt hatte, fiel mir erst auf, als die Erinnerung mit Macht ins Bewusstsein zurückdrängte. Zumindest einige Augenblicke gelang es, die harte Realität mit kindlicher Leichtigkeit auszublenden. Ihre zierlichen Hände spielten wieder in meinem Haar, warme Lippen öffneten sich erwartungsvoll. Wie sehr ich mich nach ihren zärtlichen Berührungen, ihrer unschuldigen Zuneigung sehnte. Hatte ich ihr nicht versprochen, eines baldigen Tages zurückzukehren? Da kam ich nun, mein Versprechen einzulösen – wissend, dass keine Laura auf mich warten konnte, wissend, dass sie nicht mehr war. Dennoch hielt sich ein kleiner Funken Hoffnung tief in meinem angeschlagenen Herzen, der nur darauf wartete, von der bitteren Wahrheit schonungslos ausgetreten zu werden. Wenigstens in dieser Hinsicht sollte ich nicht enttäuscht werden.
    Kellswater existierte nicht mehr. Eine Schneise der Verwüstung zog sich durch das ehemalige Dorf. Der entfesselten Elemente hatten kein Erbarmen gekannt, es sah so aus, als wären sie mitten durch die Siedlung hindurch gerast. Und alles dem Erdboden gleichgemacht. Wie bereits in Kelvin zeugten nur noch

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