Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Oktopoden erzählten, befiel ihn eine eigenartige Aufregung. Er wollte es gar nicht glauben, doch überzeugte ihn meine Trophäe restlos. Ehrfurchtsvoll untersuchte er den Tentakel von allen Seiten. Auch meine inzwischen dunkelblau angelaufenen Wundmale nahm er mehrfach in Augenschein.
„Dieses Tier muss wahrhaftig gigantisch groß gewesen sein, wenn sein Auge wirklich so riesig war, wie du sagst. Ich tippe auf eine Körperlänge von zehn bis fünfzehn Metern.“
„Möglich“, gab ich knapp von mir, immer noch an der Tatsache knabbernd, den Fang meines Lebens vergeigt zu haben.
Zusammen mit den Yanduras brieten wir auch den Fangarm in der offenen Glut. Das geröstete Muskelfleisch erwies sich deutlich zäher als jenes der Stamarinas, doch gab es keinen echten Grund, seine Qualität anzuzweifeln. Dennoch blieb der weitaus größte Teil ungegessen liegen, kein Wunder, nicht einmal uns drei hungrigen Wölfen gelang es beim besten Willen, die zwei Meter Luvium zu vertilgen, zumal sich die im Feuer gegrillten Krustentiere als eindeutig schmackhafter erwiesen. Ihr zartes Fleisch, schneeweiß und feinfasrig, mundete vortrefflich. Eine Delikatesse vom Feinsten, schon fast ein Frevel, es wie Tiere mit puren Klauen aus den geknackten Schalen herauszupulen und in den Mund zu stopfen.
Gesättigt und ermüdet wusch ich meine Wunden ein weiteres Mal mit Salzwasser aus, um einer Infektion vorzubeugen. Weder Krister noch ich hatten irgendeinen Gedanken an Heilmittel oder Wundsalben verschwendet. Es sorgte mich jedoch herzlich wenig. Aus heutiger Sicht beneide ich die Jugend um ihre gesegnete Sorglosigkeit, um diese glückselige Überzeugung, unbesiegbar und unvergänglich zu sein. Eigenschaften, die sie unerschrocken auch schier Unvorstellbares meistern lässt. Ich sehne mich heute, alt und vom Leben längst gebeugt, oftmals zurück in diese unwiederbringlich verlorene Zeit, die so kurz währte und doch die kostbarste gewesen ist.
Die Ostseite der Halbinsel Longreach lag vor uns, als sich die Xyn am östlichen Horizont aus der feuerroten Tethys erhob. Die See hatte sich über Nacht mitnichten beruhigt, es versprach ein weiterer unruhiger Tag zu werden.
Schon bei der Fahrt durch den engen Kanal hinaus aus der Lagune fiel uns der deutlich stärkere Wellengang auf. Wir meisterten diese Herausforderung diesmal jedoch problemlos. Ein kreischendes Meer aus Seevögeln auf der Jagd nach Fisch für die Brut umschwirrte uns wie Motten das Kerzenlicht. Sehr zu Lukes Verdruss schlug Krister hin und wieder mit dem Paddel nach einem seiner Meinung nach zu aufdringlichen Vogel, doch gelang ihm kein Treffer. Dann erwischte er überraschenderweise ein dunkelgraues Federvieh mit schlangenförmigem Hals und überproportional großen Schwimmfüßen, das nach erfolgreichem Fang auf erstaunlich stummelhaften Flügeln umständlich aus dem Meer abhob und ihm dabei beinahe mitten ins Gesicht geflattert wäre. Mit dem Paddel fegte er das schrill aufschreiende Tier zur Seite, das wieder ins Wasser stürzte und spurlos verschwand.
„Sinnloses Töten ist ein barbarischer Akt“, hatte sich Luke erregt, erntete jedoch nur Spott in Form eines obszönen Geräusches, das Krister mit der Zunge erzeugte.
„Quatsch nicht herum, so einfach sind die Viecher nicht totzukriegen“, wies er seinen Stiefbruder zurecht.
Luke sagte nichts mehr darauf, schien sich aber für die nächsten Stunden noch weiter in sich zurückzuziehen. Ich bemerkte, mich ein Stück weiter für ihn zu öffnen. Seine durchaus anerkennenswerte Liebe zur Natur schien nicht zu diesem in sich zurückgezogenen, verletzlich wirkenden Jungen zu passen, der bereits im Körper eines wehrhaften, ausgewachsenen Mannes wohnte, was wiederum ein Kuriosum in sich darstellte. Ein Schaf im Wolfspelz. Ein äußeres Erscheinungsbild, das so gar nicht mit dem dazugehörigen Innenleben einhergehen wollte. Ich wusste nicht, ob mich diese merkwürdige Mischung abstieß oder eher anzog, nahm mir jedoch vor, Luke nicht mehr ganz so schroff anzugehen. Womöglich hatte es noch nie jemanden wirklich interessiert, wie er unter dem Tod seiner leiblichen Eltern gelitten hatte, wie sehr er wahrscheinlich heute noch daran krankte. Zum ersten Mal überhaupt begann ich mich für seine Geschichte zu interessieren.
Was wusste ich eigentlich wirklich über ihn? Schon die Umstände seiner Ankunft in Stoney Creek, wie ich mir ins Gedächtnis rief, waren von meiner Seite aus weitgehend unbeachtet geblieben. Die Tatsache,
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