Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Niemandsland ging. Für Luke bedeutete es in seine alte Heimat zurückzukehren, die er vor vielen Jahren als Kind verlassen hatte. Wenn er aufgeregt war, ließ er es sich nicht anmerken.
Zeitiger als erwartet tauchte Kap Farewell auf, jene schmale, bewaldete Landzunge, die sich wie eine lange Nadel in den weichen Bauch der Tethys bohrte. Ich traute meinen Augen kaum. Auch Krister zeigte sich überrascht.
„Wir müssen wie die Teufel gefahren sein“, rief er aus. „Kann das wahr sein? Natürlich, keine Frage, das ist unverkennbar Kap Farewell.“
„Und ob das Kap Farewell ist“, stimmte ich ein. „Jetzt schaffen wir es heute sogar noch bis Van Dien, Krister, da gehe ich jede Wette ein.“
„Wenn der Wind weiterhin so pfeift, auf jeden Fall. Das sollten wir ausnutzen, wer weiß, wie lange er uns noch so gnädig verbunden ist.“
Er blieb uns verbunden. Die Umsegelung des Kaps erforderte einiges Fingerspitzengefühl, denn die See wurde merklich rauer, und die Brise nahm Starkwindcharakter an. Hohe Wellen schlugen von achtern gegen die Bootswand. Mit geblähtem Segel fuhren wir vor dem Wind her und legten noch an Geschwindigkeit zu. Nach Umrundung des Kaps ging ich auf südlichen Kurs und wich dadurch von der Ideallinie ab, die uns in Rekordzeit an Mithanforg vorbei nach Zadar gebracht hätte. Doch dort wollten wir noch gar nicht hin. Unser Ziel hieß jetzt Van Dien. Die See beruhigte sich schlagartig. Kein Wunder, lag doch die Moa Bay, von drei Seiten vom Festland umgeben, relativ geschützt da, ein natürlicher Hafen wie man ihn sich nur wünschen konnte. An ihrem südlichsten Punkt hatten die ersten Siedler im Jahre 57 die Stadt Van Dien gegründet, welche sich bis zu ihrer Zerstörung durch die Opreju 223 Jahre später zur größten Stadt Aotearoas gemausert hatte. Nach Ende des Krieges dauerte es annähernd 150 Jahre, bis es die Menschen wieder wagten, auf den zerfallenen Ruinen eine neue Stadt aufzubauen.
Im Gegensatz zu Cape Travis, das sich sanft an die dicht bewaldeten Hügelketten des Monteskuro anschmiegt, präsentiert sich Van Dien relativ flach und eben. Nur am westlichen Stadtrand zeigt sich eine nennenswerte Erhebung, Van Diens Hausvulkan, der knapp vierhundert Meter hohe Catarakui.
Schon aus weiter Entfernung erblickten wir die vielen weiß schimmernden Häuser, die sich aneinander reihten und im Zentrum zu einem Haufen zusammenballten. Ein imposanter Anblick. Die Moa Bay in Windeseile durchquert, näherten wir uns ebenso schnell dem Festland. Erste Boote tauchten auf, Fischer wie wir, die die See mit ihren Netzen durchkämmten. Wir winkten zur Begrüßung, indessen nahm man wenig Notiz von uns, waren wir doch nur ein Boot von vielen. Niemand konnte uns ansehen, dass wir eine mehrtägige Reise hinter uns hatten und vom anderen Ende Avenors kamen.
Ich steuerte auf den Hafen zu. Anders als in Stoney Creek gab es hier eine Unmenge von Anlegeplätzen, an denen unzählige Boote vertäut lagen. Jetzt, am beginnenden Abend, herrschte reges Treiben, brachen viele Fischer zum Fangzug auf. Im Hintergrund glaubte ich die Betriebsamkeit eines Marktes zu erspähen. Die vielen Menschen, denen wir uns annäherten, entmutigten ein wenig. Als echtes Dorfkind pflegten mich Ansammlungen wie diese eher zu erschrecken als anzusprechen und entsprechend schweigsam harrte ich der Dinge, die da auf uns zukamen. Wie lange war ich schon nicht mehr in Van Dien gewesen? Es mussten über vier Jahre her sein, als Rob und ich uns dem Treck nach Osten angeschlossen hatten, um einmal die größte Stadt Aotearoas zu besuchen. Schon damals hatte sie mir nicht sonderlich gefallen, und auch heute spürte ich dieselbe Abneigung.
An einem der vielen geschäftigen Landungsstege legten wir an und gingen von Bord. Menschen wohin ich sah. Mit knapp siebentausend Einwohnern war Van Dien sogar noch bevölkerungsreicher als Cape Travis. Kein Vergleich mit meinem kleinen Fünfhundertseelendorf. Für Luke bedeutete es die erste Rückkehr in seine Heimatstadt nach über zehn Jahren. Er wirkte aber nicht im Mindesten aufgewühlt oder unruhig. Vielleicht ein wenig verunsichert. Sah so aus, als hätten jene zehn Jahre sämtliche Erinnerungen ausgelöscht. Mit großen Augen sah er sich aufmerksam um.
„Und wie fühlt es sich an wieder hier zu sein, Luke?“ erkundigte sich Krister.
Der Gefragte zuckte mit den Schultern.
„Das kann ich jetzt noch nicht sagen“, meinte er unbestimmt.
Wir ließen den Landungssteg hinter uns und fanden uns
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