Sephira - Ritter der Zeit 1: Die Bruderschaft der Schatten (German Edition)
Glocken.«
»Und wo befinden sich die Rufer?«
»Siehst du die Türme da hinten?« Er deutete auf die Gebäude, die wie Nadelspitzen in den Himmel stachen, gleich neben der großen grünen Kuppel. »Man nennt sie Minarette. Die Männer, die dort rufen, sind Muezzins. Sie preisen ihren Gott und rufen die Gläubigen zum Gebet. Innerhalb der nächsten Minuten sollte kein einziger Gläubiger mehr auf der Straße sein.«
»Auch keine Händler?«
»Auch keine Händler. Sofern sie denn zu Allah beten. Aber ich bin sicher, dass wir etwas Passendes für dich finden werden. In dieser Stadt leben auch Juden, für die gilt der Gebetsruf nicht. Mein Freund Chaim ist einer von ihnen, zu seinem Laden reiten wir.«
Während ich mich noch fragte, zu welchem Gott die Juden beteten, jagte er den Rappen durch verwinkelte Gassen, bis er schließlich vor einem windschiefen Gebäude haltmachte. Das Haus, dessen Eingang mit einem bunten Teppich verschlossen war, machte den Eindruck, als sei es zwischenden benachbarten Gebäuden eingeklemmt. Überhaupt fand ich die Stadt mit ihren teilweise übereinander errichteten Gebäuden sehr beengt. Die Häuser meines Dorfes hatten genug Luft ringsherum gehabt, um Leinen zu spannen und ungestraft auch die längsten Schwerter zu schwingen. Hier lief man Gefahr, mit dem Nachbarn zusammenzustoßen, wenn man gleichzeitig mit ihm vor die Tür trat.
Nachdem wir abgestiegen waren und Gabriel das Pferd festgebunden hatte, schob er den Teppich beiseite und rief etwas, das ich nicht verstehen konnte.
Wenig später eilte ein Mann in einem langen schwarzen Gewand durch eine der hinteren Türen. Auch er rief einen kurzen Satz, der sich ein wenig empört anhörte.
Dann fielen sich die beiden Männer allerdings in die Arme.
Nach einem kurzen Gespräch, das ich ebenfalls nicht verstand, wandte sich der Mann in der Sprache der Franken an mich. Offenbar hatte Gabriel ihn darauf hingewiesen, dass ich ihn nicht verstehen konnte.
»Sei willkommen in meinem Haus! Mein Name ist Chaim. Gabriel ist ein alter Freund von mir. Und jeder seiner Freunde darf sich hier ebenfalls blicken lassen, wenn er in Frieden kommt.«
Sah ich etwa wie ein Raufbold aus? »Habt vielen Dank für Eure Gastfreundschaft«, gab ich höflich zurück und sparte mir die Bemerkung, dass ich für gewöhnlich nur aus gutem Grund einen Streit anfing. »Ich werde Euer Haus niemals mit böser Absicht betreten.«
Dem Händler schienen meine Worte zu gefallen, wie sein Lächeln verriet.
»Gabriel, was führt dich zu mir?«, fragte er dann, während er sein Gewand glatt strich. »Ich hatte schon lange nicht mehr das Vergnügen, mit dir zu handeln.«
»Ich wollte dir ein paar Kleider für meinen jungen Freund abkaufen.«
Geistesgegenwärtig hob ich die Arme vor meinen Busen.
»Er sieht mager aus«, bemerkte der Händler nach erneuter Musterung, »aber ich glaube, ich habe da was.«
Damit eilte er zu den Truhen auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes.
»Ist dir bereits zu Ohren gekommen, dass Harun ibn Islar ganz schrecklich zu Tode gekommen ist?«, fragte der Händler, während ihn eines der Behältnisse fast verschluckte.
Während ich über diesen Anblick noch schmunzelte, bemerkte ich einen Schatten, der über Gabriels Gesicht zog.
»Nein, davon habe ich bislang nichts gehört«, antwortete er, während er seinen Blick beiläufig über die Waren schweifen ließ. Er wollte seine Stimme unbeteiligt klingen lassen, doch ich spürte, dass Unruhe in seinen Worten lag. Kannte er den Genannten vielleicht?
»Man hat ihn mit durchschnittener Kehle aufgefunden«, fuhr der Händler fort. »Er soll an seinem eigenen Blut erstickt sein, weil der Mörder genau die Luftröhre durchtrennt hatte. Das muss ein sehr geschickter Mann gewesen sein, wenn man bedenkt, dass die Wächter nichts mitbekommen haben.«
Bevor Gabriel etwas entgegnen konnte, tauchte Chaim aus der Truhe wieder auf und hob ein Hemd und eine Pluderhose in die Höhe, deren Farbe so grell war, dass sie mir richtiggehend in die Augen stach.
»Was sagst du dazu?«
»Er wird darin versinken«, gab Gabriel zurück und zwinkerte mir dann zu. »Außerdem ist er kein Haremswächter. Hast du keine enger sitzenden Beinkleider? Das Hemd ist in Ordnung, aber er braucht auch einen Mantel und ein Wams.«
Schulterzuckend ließ der Händler die Hose wieder verschwinden.
»Wo hast du ihn überhaupt aufgegabelt?«, wollte der Händler wissen, nachdem er mir das Hemd in die Hand gedrückt hatte.
»Am
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