Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
ihn.«
»Was macht sie mit ihm?«
»Sie untersucht, ob etwas gebrochen ist«, schwindelte ich und hielt das Mädchen weiterhin fest in meinem Arm.
Giselle schloss die Augen und legte ihm die Hände auf die Brust. Im nächsten Augenblick schien etwas Helles aus ihren Handflächen zu strömen. Verwundert schnappte ichnach Luft. Was war das? Die hellen Schlieren wirkten wie Nebel, waren aber ungleich heller. Da der Himmel über uns bedeckt war, konnte dieser Effekt unmöglich von der Sonne hervorgerufen werden.
Im nächsten Augenblick sickerte das Licht in den Körper des Jungen ein, der sich sogleich aufbäumte.
»Was geschieht da?«, wisperte die Mädchenstimme an meinem Ohr. »Warum darf ich nicht hinsehen?«
Ich war zu erstaunt, um eine Antwort zu geben. Eine ganze Weile strömte das Licht aus Giselles Händen, dann sank sie erschöpft zurück. Der Brustkorb des Jungen hob und senkte sich regelmäßig, die Blässe auf seinen Wangen war einem rosigen Pfirsichton gewichen.
Ich ließ das Mädchen wieder los.
»Bleib hier, ich sehe mal nach deinem Bruder.«
»Ist er tot?«, flüsterte sie ängstlich.
»Nein, ich glaube nicht«, antwortete ich ahnungsvoll. »Er wird viel Ruhe brauchen und bestimmt wieder gesund werden. Setz dich ins Gras und rühr dich nicht.«
Die Kleine hinter mir lassend lief ich zu Giselle, der Schweißtropfen auf ihrem kreidebleichen Gesicht standen. »Geht es dir nicht gut?«
Giselle schüttelte den Kopf. »Es wird gleich wieder. Hinterher … bin ich immer ein wenig erschöpft.« Sie schloss die Augen und ebenso wie wir, wenn wir uns von einer Verletzung erholten, saß sie ganz still da.
Schlummerte in ihr vielleicht der Keim einer Lamie?
Nein, sie war durch und durch ein Mensch, das spürte ich. Doch woher kamen diese beeindruckenden Fähigkeiten? Am liebsten hätte ich sofort Sayd und den anderen davon erzählt, aber jetzt musste erst einmal der Junge an seine Eltern übergeben werden.
Als Giselle die Augen öffnete und das Rot auf ihre Wangenzurückkehrte, fragte ich: »Ist mit dem Jungen wieder alles in Ordnung?«
Giselle schüttelte den Kopf, doch auf ihrem Gesicht erschien ein Lächeln. »Nein, nicht alles. Aber er wird wieder gesund.«
»Und wie kannst du dir da so sicher sein?«
»Ich spüre es. Die schlimmsten Verletzungen sind abgemildert worden, sodass sein Körper mit den einfacheren fertigwerden kann.«
Ich musste dreinschauen wie eine Närrin, denn Giselle senkte plötzlich den Kopf. »Es ist unglaublich, ich weiß. Bitte sag niemandem etwas davon.«
»Ich habe dir mein Wort gegeben«, entgegnete ich, dann wandte ich mich nach einem Moment der Stille dem Jungen zu. »Ob ich ihn auf die Arme nehmen und tragen kann?«
»Sicher«, entgegnete Giselle. Ich übergab ihr daraufhin mein Frauengewand und hob den Jungen vorsichtig an.
Als wir gefolgt von Jeans kleiner Schwester auf den Gutshof zurückkehrten, stürmten uns Jared und Gabriel entgegen. »Was ist geschehen?«, fragte mein Gefährte.
»Der Kleine ist vom Felsen gestürzt«, erklärte ich.
»Ist er verletzt?«, fragte Gabriel besorgt.
»Nicht schlimm, hoffe ich.« Ich blickte kurz zu Giselle, die ihren Blick gesenkt hielt.
»Wir sollten einen Arzt holen«, schlug Jared vor. In dem Augenblick bog auch schon die Mutter um die Ecke.
»Jean!«, kreischte sie. »Was ist mit meinem Jungen?«
»Euer Junge wird wieder gesund werden«, versicherte ich ihr. »Führt uns zu Euch nach Hause, da kann er ruhen.«
»Ich nehme ihn dir ab«, sagte Jared und hob ihn auf seine Arme. »Du hast ihn lange genug getragen.«
Ich unterdrückte ein Schmunzeln. Mochte er auch bei jederGelegenheit heftig abstreiten, sich in Giselle verliebt zu haben, so versuchte er doch, ihr zu gefallen. Natürlich würde er vorgeben, dass er mich habe schützen wollen, wenn ich ihn später auf die Szene ansprach, denn keine normale Frau konnte einen zehnjährigen Jungen über so lange Zeit tragen. Aber ich wusste, er tat es für Giselle.
»Wohin soll ich ihn bringen?«, fragte Jared die Mutter, die ihn ansah, als wollte er ihr Kind rauben.
»Ich führe Euch«, antwortete sie dann und ging voran.
Giselle blickte noch einmal zu mir her, als wollte sie mich an meinen Schwur erinnern. Dann schloss sie sich Jared und der besorgten Mutter an.
Was ich jetzt zu tun hatte, wusste ich. »Wo ist Sayd?«, fragte ich Gabriel, der mich daraufhin verwundert ansah.
»Im Quartier, wieso fragst du?«
»Ich muss mit ihm sprechen und du musst
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