Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
so an, als hätte seine Seele den Körper verlassen. Dunkelheit umgab ihn wie damals, als er Ashalas Elixier erhalten hatte. Dann wurde ihm plötzlich kalt. Als das Licht zurückkehrte, fand er sich in einem Land wieder, dessen Himmel von grauen Wolken verdunkelt wurde.
Der Wind, der in seine Wangen schnitt, war so eisig, wie er ihn noch nie zuvor erlebt hatte. Er erhob sich und sah sich Bergen gegenüber, die denen seiner Heimat ähnelten und doch vollkommen anders waren. Schnee krönte ihre Spitzen und ein Mantel aus dunkelgrünen, kegelförmigen Bäumen hüllte ihre Sockel ein.
Sayd wusste aus Erzählungen von Laurina, dass es in ihrem Land Schnee gab, doch wo war das eisige Meer, von dem sie gesprochen hatte? Nein, das waren nicht die Nordlande. Dieser Ort war ein anderer. Hatte Gabriel nicht so seine Heimat beschrieben? Jedenfalls, wenn es dort Winter war?
Sayd folgte einer gewundenen Straße, die zu den Bergen führte. Schließlich tauchte vor ihm eine Burg auf. Vier Zinnen ohne Haube reckten sich in den Himmel. Ein gelb-rotes Banner wehte an einer von ihnen. Das Dorf zu Füßen der Burg wirkte ärmlich. Doch als Sayd an den Hütten vorbeiging, vernahm er kein Klagen.
Der aufgeweichte Boden des Dorfplatzes wurde schließlich zu schweren steinernen Platten. Als Sayd aufblickte, fand er sich in einem hohen Säulensaal wieder. Das dürre Licht der Fackeln versuchte vergeblich, die Schatten aus denEcken zu vertreiben. Auf den Bannern, die ebenfalls in Gelb und Rot gehalten waren, prangte hier ein Löwe, doch besondere Pflege hatte der Stoff nicht erhalten.
In der Mitte des Saales, der sich offenbar in einer Burg befand, umringten ein paar Männer eine weiß gekleidete Frau, über deren Kopf ein weißes Tuch gedeckt war und die ihre Hände gefaltet hielt. Sie stand vor einem Tisch, auf dem ebenfalls ein weißes Tuch lag. Das Buch vor ihr war in einfaches Leinen gebunden.
»Ich bitte Euch, das Consolamentum zu spenden«, sagte die Frau feierlich in Frankensprache.
»Bist du bereit, deine Sünden zu bereuen?«, fragte der erste der Männer, die schwarz gekleidet waren und keinerlei Schmuck trugen.
»Das bin ich«, antwortete die Frau.
Die Männer begannen daraufhin zu beten. »Vater unser, der du bist im Himmel ...«
Sayd erkannte darin Gabriels Gebet. Nachdem sie es siebenmal gesprochen hatten, nahm der Mann das Buch vom Tisch und legte es auf den Kopf der Frau.
Und ein drittes Mal änderte sich das Bild. Viele Jahre schienen seit dem seltsamen Ritus vergangen zu sein. Jetzt regnete Feuer auf die Burg, Menschen flohen vor Kriegern, die in eisernen Rüstungen auf sie zugestürmt kamen. Frauen wurden an den Haaren gepackt und zur Seite gezerrt, Männer von Schwertern und Lanzen durchbohrt. Keiner der Bewohner des Dorfes wehrte sich. Vergeblich wartete Sayd darauf, dass der Burgherr Soldaten zur Verteidigung schickte. Als ihm klar wurde, dass keine Hilfe kommen und das Abschlachten seinen Lauf nehmen würde, tastete er entsetzt nach seiner Waffe, doch er trug keine bei sich.
»Giselle!«, hörte er hinter sich eine Kinderstimme kreischen. Als er sich umwandte, entdeckte er am Fenster derbrennenden Burg die Frau, die zuvor das Consolamentum erhalten hatte. Ihr Gesicht wurde von einem schwarzen Schleier bedeckt. Sayd wollte ihr etwas zurufen, doch dann wurde er von der Dunkelheit wieder davongezerrt.
Sayd zuckte zusammen und öffnete schwer atmend die Augen. Der goldene Schein darin verblasste augenblicklich. Offenbar hatte ihn das, was er gesehen hatte, sehr wütend gemacht.
»Sayd, ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte ich.
»Ich hatte eine Vision«, antwortete er, während er sich aufsetzte. Eine Träne rann über seine linke Wange.
»Was hast du gesehen?«, fragte ich vorsichtig. Nur selten erzählte Sayd uns den gesamten Inhalt seiner Visionen. Lediglich das, was für unsere Mission wichtig war, gab er preis. So antwortete er mir nicht direkt, sondern wandte sich gleich an Gabriel. »Sagt dir das Wort Consolamentum etwas?«
Mein Gefährte schüttelte den Kopf.
»Ich sah eine Frau, die dieses Wort gebrauchte. Sie bat um das Consolamentum.«
Sayd war sichtlich erschüttert. Zu gern hätte ich gewusst, was er gesehen hatte. »Es war ein Ritus ... Und dann kamen die Angreifer, Soldaten, die über das Dorf hergefallen sind ... Die Menschen, sie haben sich nicht gewehrt ... Und dann war da auch noch ein Ruf. Ein Name. Giselle.«
Zwischen Gabriels Augenbrauen erschien eine senkrechte Falte. »Der
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