Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
gekommen war, schlug er auf sein Sattelhorn.
»Da hinten!«, vernahm er im nächsten Augenblick den aufgeregten Ruf eines seiner Leute. »Sandsturm!«
Azhar runzelte die Stirn. Ein Sandsturm mitten aus dem Nichts? Bei klarem Himmel?
Das, was da rasend schnell auf sie zugeflogen kam, sah allerdings nach einer gewaltigen Windhose aus.
War es möglich?
»Bleibt ruhig!«, donnerte Azhar zu seinen Männern hinüber, von denen einige angsterfüllt ihre Pferde herumgerissen hatten, um zu fliehen. Und solchen Feiglingen hat Malkuth eine halbe Gabe gegeben ...
Doch Zeit, um seine Leute wegen ihrer Feigheit zu rügen, hatte er nicht mehr. Die Staubwolke war schneller heran, als ein Sandsturm es je hätte sein können.
Innerhalb weniger Augenblicke waren sie von unförmigen Rauchgestalten umringt, die sogar das Sonnenlicht zu verschlucken schienen.
Das waren sie!
Azhar unterdrückte den Drang, die Schutzsure zu murmeln, und hob die Hände in die Höhe, um ihnen zu zeigen, dass sie keine kriegerischen Absichten hatten.
»Wir sind nicht hier, um gegen euch zu kämpfen. Wir wollen eure Anführerin sprechen.«
Ein Murren ging durch die Dschinn. Jedenfalls hielt Azhar es dafür. Kurz darauf löste sich eine Gestalt aus der Rauchmasse. Sie war die einzige, die halbwegs feste Züge hatte, weil sie in einer Lederrüstung steckte.
»Wer will die Lalla Aisha sprechen?«
Das war eher ein tiefes Brummen als eine Stimme, und kurz wunderte Azhar sich, dass die Dschinn ihre Anführerin als Heilige titulierten.
»Wir sind Gesandte des Emirs Malkuth«, beantwortete er dann die Frage des Dschinn. »Wir möchten Aisha Qandisha um Hilfe bitten.«
Die Gestalt stieß ein missbilligendes Schnarren aus. »Seit wann bitten unwürdige Menschen die Herrin der Dschinn um Hilfe? Und dann noch, ohne ein Opfer darzubringen.«
»Mein Herr ist kein Mensch!«, gab Azhar zurück. »Er trägt die Gabe der Unsterblichkeit in sich. Die Gabe der Lamien. Und was das Opfer angeht, sie wird es erhalten. Ein größeres Opfer als ein paar Hühner oder Ziegen.«
Die Dschinn raunten etwas, das er nicht verstand. Einen bangen Augenblick lang war Stille in ihrer Mitte. Dann sagte der Anführer: »Wir werden euch zu unserer Herrin bringen. Doch seid gewarnt: Wenn ihr versucht, uns hinters Licht zu führen, seid ihr des Todes!«
Azhar blickte zu seinen Männern, die vor Angst schlotterten.
»Ihr habt mein Wort, das Wort eines Beduinen.«
Wie viel das unter diesen Gestalten galt, erfuhr er nicht, denn die Dschinn vereinten sich wieder zu der großen Rauchwolke, stoben davon und wiesen den Männern den Weg in Richtung der Berge.
Als die Sonne unterging, waren sie dem Gebirgszug so nahe, dass sie jede Einzelheit erkennen konnten. Beeindruckt betrachteteAzhar die spitzen Felsen, die gleich riesigen Fangzähnen bedrohlich aus der roten Erde ragten. Und er fragte sich, wo in dieser unwirtlichen Gegend sich eine Siedlung befinden sollte. Als Angehöriger eines Stamms, der von Oase zu Oase gezogen war und lediglich am Fuße von Bergen sein Lager aufgeschlagen hatte, konnte er sich nicht vorstellen, dass es in den kahlen und unwirtlichen Wüstengebirgen Leben gab.
Sein Eindruck änderte sich auch nicht, als sie den Eingang zu einem Bergpass hinter sich gelassen hatten. Überall nur Felsen und Sand. Hin und wieder schoss ein Skorpion mit wachsam erhobenen Scheren unter einem Stein hervor.
Azhar blickte sich zu seinen Männern um. Angesichts der Dschinn, die ihnen allerdings so weit voraus waren, dass sie sie nicht mehr sahen, wirkten sie verängstigt. Wahrscheinlich hatten sie in diesem Augenblick die alten Geschichten im Sinn.
Als Azhar schon glaubte, dass der Weg nie ein Ende nehmen würde, erwarteten die Dschinn sie vor einer in die Felsen gehauenen Fassade. Mehrere Reihen von Rundbögen stapelten sich aufeinander, die Öffnungen dahinter wirkten wie eine Vielzahl dunkler Augen.
Das Raunen des Windes klang hier wie ein Lied, das auf einem bizarren Instrument gespielt wurde. Ein Schauder überlief Azhar, als er zu dem merkwürdigen Bauwerk aufsah. In den Fensteröffnungen standen Feuerschalen, in denen die ersten Flammen aufloderten, ohne dass er jemanden sah, der sie entzündet hatte. Der Platz vor dem Palast war leer. Außer dem Gesang des Windes gab es keine Geräusche.
Wie viele Dschinn mögen hier leben? , fragte sich Azhar unwillkürlich, während er versuchte, sich sein Frösteln nicht anmerken zu lassen. Oder sind sie alle unterwegs, um Opfergaben
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