Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
Verdacht, dass er vielleicht meine runzlige Fratze erblickt haben könnte, doch dann antwortete er mit erstickter Stimme: »Ich sah mich selbst – unaussprechlich alt.«
»Hast du mich ebenfalls gesehen?« Diese Frage erschien mir im Nachhinein etwas unsensibel, hatte er doch soeben den Schrecken erfahren, der auch mich fast von den Füßen gerissen hätte.
»Nein«, gab er zurück, während er sich langsam wieder von dem Anblick erholte. »Du warst wie immer, aber ich …«
Ich schüttelte den Kopf, um ihm zu sagen, dass er es mir nicht beschreiben musste. Aber er wollte es offenbar.
»So muss jemand aussehen, der in der Wüste gestorben ist und wochenlang nicht gefunden wurde.« Er blickte mich eindringlich an. »So haben einige Mitglieder meines Stammesausgesehen, jedenfalls jene, die nicht zu sehr von den Geiern verstümmelt worden waren. Wir dürfen niemals vergessen, welch großes Geschenk wir erhalten haben, Sayyida.«
Jetzt hatte auch Gabriel den Mut gefunden, sich im Wasser anzusehen, und gesellte sich zu uns. Er wirkte allerdings nicht geschockt. »Seltsam«, sagte er, als er sich wieder aufrichtete. »So sahen Leichname aus, die ich einst bei einem Ausritt mit Balian entdeckt hatte. Offenbar weiß das Wasser ganz genau, wer wir sind.«
»Nicht das Wasser«, erwiderte ich. »Da nur wir selbst uns so sehen, weiß wohl unser Verstand, was wir wirklich sind.«
»Das wäre möglich. Nur gut, dass ich dich nicht in solch einem Zustand sehen muss.«
»Dann hast du mich also auch nicht gesehen?«
Gabriel lachte. »Nein, nur einen lebenden Leichnam neben einer jungen Schönheit. Was kann einem Mann Besseres passieren?«
Zweites Buch :
Wandervögel
Winter 1294
14
D avid hatte schon einiges über die Städte der Christen gehört, doch nie hätte er geglaubt, dass eine Stadt gleichzeitig so mächtig und so schmutzig sein konnte.
Messina war nicht nur als Kreuzfahrerhafen bekannt – seit Frieden im Heiligen Land herrschte, legten vermehrt arabische Handelsschiffe dort an, die Seide und Gewürze ins Abendland brachten. Es wunderte den Schmied, dass Araber sich hier aufhalten mochten, wo sie doch sonst so auf Sauberkeit bedacht waren. Seit die Sarazenen von Sizilien vertrieben worden waren, herrschte hier christliche Nachlässigkeit, was die Straßen und auch die Menschen anging.
»Ich habe noch nie so viele Sorten Schweiß gerochen«, murrte er, als sie vom Hafen in eine kleine Seitenstraße einbogen. »Nicht einmal auf dem Schlachtfeld haben die Christen so gestunken. Und da dachte ich, es wäre Angst.«
Vincenzo lachte auf. »Du weißt doch, dass sich ein Christ nur dreimal in seinem Leben waschen muss.«
»Nur gut, dass wir dir und Gabriel inzwischen Manieren beigebracht haben«, setzte Saul hinzu. »Wenn jemals wieder ein Christ bei uns aufgenommen werden soll, werden wir darauf bestehen, dass er erst einmal lernt sich zu waschen.«
Durch enge Gassen, in denen ihnen vollbepackte Lastenträger entgegenkamen, gelangten sie schließlich zu einem Stall, in dem man sich Pferde ausleihen konnte. Arabische Rösser standen hier nicht, dafür aber kräftige Tiere, die es gewohnt waren, Lasten zu tragen.
»Das sind Leihpferde?«, platzte es erstaunt aus Saul heraus. »Nicht einmal die Kreuzritter haben auf solchen Pferden gesessen.«
»Solche Pferde unter ihren Hinterteilen und sie hätten das Heilige Land nicht den Heiden überlassen müssen!«
Belemoths Hand schnellte zu seiner Waffe, doch als er sah, dass der Mann, zu dem die kratzige Stimme gehörte, alt und gebrechlich war, zog er die Hand zurück und senkte die Lider, damit der Greis das rote Glimmen in seinen Augen nicht sehen konnte.
»Seid Ihr der Besitzer dieses Stalls?«, fragte Vincenzo, nachdem er kurze Blicke mit Saul und David gewechselt hatte.
»Ah, ein Landsmann!«, sagte der Alte. »Ja, ich bin der Besitzer. Und Ihr und Eure Freunde könnt unter all meinen Rössern auswählen.«
»Vielleicht sollten wir uns einen anderen Stall suchen«, murmelte Belemoth auf Arabisch. »Wir sind hier wohl nicht willkommen.«
»Was sagt er da?«, fragte der Alte, doch Vincenzo überhörte die Äußerungen beider und entgegnete: »Was ist Euer Preis für die Pferde? Und habt Ihr nicht vielleicht etwas schnellere?«
»Oh, meine Pferde sind schnell. Ein paar von ihnen sollen sogar das Blut jener Tiere in den Adern haben, mit denen die Wikinger ihre Gegner in Angst und Schrecken versetzen.«
»Aber waren Wikinger nicht eher auf Schiffen
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