Sepia
existiert doch tatsächlich ein Schuhkarton mit ein paar schriftlichen Sachen von ihm, sogar ein Tagebuch, sogar mit Einträgen, die Dich sehr interessieren werden. Ich stecke meine Notizen in den Umschlag und sage: Ab die Post.
Aus dem Tagebuch von Ludwig Pollak
1. 2. 1904 – Beim jour den Laokoon-Arm gezeigt. Petersen und Com. Galli vom Vatikan.
7. 3. 1904 – Vormittags brachte ich den Laokoon-Arm in den Vatikan. Die Kustoden waren nicht wenig erstaunt. Es scheint doch eine Replik zu sein.
Dezember 1905 – Den Laokoon genau besichtigt. Hinaufgestiegen und den kostbaren Körper genau mit den Händen abgetastet. Ich sah, dass in antiker Zeit schon der rechte Arm gebrochen und wieder angesetzt war. Den von mir geschenkten Arm verglichen. Dann bei Galli im Studio.
12. 1. 1906 – Adunanz im deutschen archäologischen Institut Rom anlässlich der 400-Jahr-Feier zur Bergung der Laokoon-Gruppe. Ich sprach als Dritter. Referierte über den bei Supino gefundenen rechten Arm.
Tags darauf von Journalisten aufgesucht.
Würdigung in der Frankfurt/Oder-Zeitung.
12. 9. 1907 in Dresden – Ich sah zu meiner Freude die Kopie der Laokoon-Gruppe mit meinem rechten Arm reconstruiert.
6. 5. 1919 – Ordentliches Mitglied des deutschen archäologischen Instituts in Rom.
Zweifel in Fragen der Echtheit des Arms. Proportionen. Marmorvergleich.
1932 – Goethefeier in der Hertziana. Verschiedene Leute fehlten. Auch ich war ausgeschlossen. Das Bild von Henriette Hertz, der jüdischen Stifterin, ist entfernt.
1933 – Göring hält in der Hertziana, die nicht mehr Hertzianaheißt, eine Rede zu Hitlers Geburtstag. Hier endet das Tagebuch.
Im Karton liegen Rechnungen. Postkarten.
Il Ceco, so wurde er genannt, weil er aus Prag gebürtig war. Aufsätze, Gutachten zu antiken Vasen. Einige Schreibmaschinenseiten, Überschrift: Lebenslauf. In der Kindheit Flecklsuppe am geglätteten Tisch. Während eines Pragbesuches in der Zigeunersynagoge eine Jugendfreundin geheiratet. Treffen mit dem alten Rabbi Deutsch, mit Kantor Löwensohn und Custus Jeitteles. Ausführungen zu 1905: An einem kompakten, gewiss vor Jahrhunderten bearbeiteten parischen Marmorbrocken eine dicke hufeisenförmige Umschlingung entdeckt. Es sieht aus wie das Segment einer Schlange. Der Scalpellino erklärte, das Bruchmaterial sei von der Via Labicana zu ihm gebracht worden. Er habe das Material einem Trümmersammler abgekauft, der sich mit solchem Handel sein Brot verdient. Von der Via Labicana ist es kein weiter Weg zum einstigen Weingarten des Signor Freddi.
Ich ließ den Marmor nach Hause transportieren. Den rechten, wahrscheinlich den richtigen Arm des Laokoon. Das Handgelenk von der Schlange gefesselt, den Ellenbogen in die Beuge gezwungen.
Dresden, den 6. Juni 1906
Sehr geehrter Herr Doktor! Können wir durch Ihre freundliche Vermittlung nicht einen Abguss Ihres Laokoon-Arms haben? Beauftragen Sie eventuell Ihren Gipsgießer kurzerhand zur Einsendung eines solchen an die K.-Skulpturensammlung. Der rotbraungoldige Fleck, von dem Sie in
Römische Mitteilungen X X
, Seite 280 sprachen, kann übrigens schwerlich von einem Bronzestift, sondern wohl nur von einem Eisendübel und dessen Oxyd herrühren. Mit verbindlichem Dank im Voraus. Ihr ergebener Georg Treu
Sehr geehrter Herr Geheimrat, eben nach Rom zurückgekehrt,habe ich gleich das Nötige veranlasst, um Ihnen die zwei Abgüsse (einen für Prof. Studniczka in Leipzig) des Laokoon-Arms zu verschaffen. Der Gießer Maratalli verlangt 10 M pro Stück.
Hochachtungsvoll, ergebenst, Ludwig Pollak
Aus einem Gutachten, grünes Durchschlagpapier, Stempel Kopie, ohne Unterschrift:
1942 Vatikanische Museen. Bei notwendigen Restaurierungsarbeiten stellte der Restaurator Caffarelli fest, dass die Löcher der Befestigungseisen zwischen dem gefunden Arm und der Schulter des Originals genau übereinstimmen. Auch die Frage des Größenunterschiedes lässt sich erklären: Man hatte beim Anbringen des jetzigen gestreckten Arms ein Stück Originalschulter herausnehmen müssen. Der von Pollak gefundene angewinkelte Marmor ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein Originalteil der antiken Skulpturengruppe der Bildhauer aus Rhodos. Ein Teil des von Plinius beschriebenen Kunstwerks, jenen Priester darstellend, den die Schlangen samt seinen Söhnen töteten, weil er die Pläne der Götter gestört hat.
Liebe Eli, ich würde Dir gern die ganze Kiste samt Inhalt schicken, am liebsten käme ich
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