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Sepia

Sepia

Titel: Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Schuetz
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Verwendung findet. Sexualität.
    Schubert ruht in Elis Armen und in ihrer totalen Verschwiegenheit.
    Sonderzahl die Übertretungen. Irgendwas muss jetzt geschehen. Eine Entdeckung müsste man machen, vielleicht eine Ausgrabung. Wenn Eli mit dem Fahrrad unterwegs ist, um nachzudenken, um endlich ein Thema zu finden für die Diplomarbeit, geht ihr Blick über die grünen Wintersaatfelder, wenn sie das Rad querfeldein schiebt, wünscht sie sich einen Stolperstein, einen spannend geformten Granit. Eine Venus von Caputh oder von Ketzin. Meist radelt sie zu den Ketziner Seen. Wenn die Gänse ankommen oder wegziehen oder die Kraniche, die haben hier ihre Sammelplätze zur Nacht. Die Kraniche kommen am Himmel in liederlicher Formation angeflogen, nicht so ordentlich wie die Gänse. Hier fressen sie sich noch einmal satt, ehe sie weiterziehen nach Süden oder Norden. Manche Vögel, die an einen milden Winter glauben, bleiben hier in der Mitte Europas. Denn Ketzin ist ungefähr die Mitte des Kontinents. Hier bündeln sich die Gedanken. Hier liegt die Kunst auf dem Acker. Man muss nur den richtigen Stein aufheben. Man muss sich an der richtigen Stelle bücken.
    Eli wiegt einen Stein hin und her. Sieht der nicht aus wie ein Herz, wie das Herzstück vom ersten Kapitel?
    Und lässt den Stein fallen und verwirft den nächsten Stein am Ackerrain, den letzten und schönsten. An der Idee für die Diplomarbeit hält sie, während sie heimwärts in die Pedalen tritt, immer noch fest. Jedenfalls bis nach Fahrland, sogar über den Babelsberg, bis ins Gebäude des Internates.
     
    Anton ist gekommen. Er steht im Flur. Er wartet wie damals die Eltern von Erika.
    Im Hotel
Zur Rennbahn
unten an der Bushaltestelle hat er ein Zimmer gemietet, zusammen mit dem ältesten Dubbert. Denn Anton hat den ältesten Dubbert mitgebracht, um Eli zu besuchen. Gegessen haben sie schon. Feinfrostspinat mit Ei und Salzkartoffeln.
    Heute hab ich keine Zeit, sagt Eli. Morgen zeige ich euch Sanssouci.
    Der Besuch ist pünktlich zur Stelle. Dietrich schlenkert eine Handgelenktasche. Anton trägt neuerdings eine Schirmmütze. Dunkelblau mit Lackschild. Wie Thälmann, behauptet er. Vor der Tauber-Villa, wo die Studentinnen aus- und eingehen, packt Dietrich den Arm von Eli. Er führt sie trotzig an seinem Ellenbogen, zeigt seine Männermuskeln, genießt Antons Enkelin, die Ausreißerin, die er jetzt gefangen hat. Er wird sie heimtragen in seinen Zangen. Jetzt erst einmal die Scheffelstraße bergab, wirklich Arme wie Zangen. Anton, als Großvater, hält Abstand. Er läuft hinterher. Wie ausgemacht sieht das aus. Abgekartet. Als müsste gleich etwas geschehen mit Eli und Dietrich. Da braucht es etwas Zeit und auch Gelegenheit. Die Sache gedeiht in den drei grundverschiedenen Köpfen. In Antons Augen sehen die beiden schon aus wie ein Paar. Eli versucht, ihre Jacke zuzuknöpfen, sie schafft in aller Höflichkeit ein bisschen Abstand beim Gehen und Reden. Sie erzählt von den verschiedenen Gartenquartieren in Sanssouci. Dietrich hört scheinheilig zu. Er nickt manchmal. Doch ihm liegt etwas anderes schwer auf der Zunge. Er fängt wieder Elis Arm, ehrgeizig sportlich. Hiergeblieben. Was aufdringlich ist, weiß er nicht, deswegen ist es was anderes. Charakterstolz. In der Straßenbahn rückt er Eli erst recht auf die Pelle.
    Anton stiert nicht ohne Zuversicht aus dem Fenster. Unternehmungslustig sieht er aus. Sanssouci ist eine Reise wert.Er hat sich vorher in der Puschkinhaus-Bibliothek belesen. Es sind mehrere Sachen, die ihm am Herzen liegen. Den schönen Park und das Schloss ansehen und Eli mit Dietrich zusammenbringen. Das wäre nur gut. Die Enkelin würde zurück nach Dresden kommen. Würde als gelernte Kraft ganz gewiss nach Wunsch Arbeit finden in einem größeren Kino. Es muss nicht gleich die
Schauburg
sein. Im
Astoria
oder
Titania
oder im
Faunpalast
, es gibt in den Stadtbezirken genug Möglichkeiten. In diesen Tagen wird im Anschluss an die neue Grunaer Straße eine weitere Wohnzeile aufgebaut. Wie es heißt, für unsere Jugend. Dietrich wäre der richtige Mann für Eli. Straßenbahnfahrer, groß, kräftig, anständig. Anton hat ihn im Leben nur ein einziges Mal besoffen gesehen. Beim Schrebergartenfest. Als Hilfe beim Ausschank. Eine Entgleisung, die man vergessen kann. Dass die Dubberts katholisch sind, dafür kann Dietrich nicht. Das kirchliche Erbe verwischt sich, wenn er nächstens unter Elis Kommando in der Neubauzeile lebt und Kinder großzieht. Enkel

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