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Sepia

Sepia

Titel: Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Schuetz
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Häuser, die Blaufichten und Obstbäume von der Gewoba-Siedlung und auf die Wildnis hinter unserem Tauber-Haus. Ich habe mein solides Internatsbett heraufgehievt. Außerdem habe ich einen Besenstiel als Kleiderstange zwischen zwei Schornsteinen festgeklemmt, ich habe Obstkisten und ein Bretterregal für Bücher und das Beste, Dein Radio, Deinen Plattenspieler und die Platten, Neuerwerb: Louis Armstrong. Das Zweitbeste: eine Bodenkammertür, zwei mal ein Meter, als Unterbau Ziegelsteine vom Schutthaufen unten im Garten, das nenne ich Schreibtisch. So bin ich eigentlich ganz gut zu Hause. Meine Füße steigen schon allein hoch und höher. Nur Schubert hat sich einmal beinahe zu den Produktionsstudentinnen verlaufen. Er ist halt ein Schussel, aber ich verehre ihn wie einen Meister. Noch einBestes: durch Balkontür und Fenster eine durch nichts gestörte Aussicht auf ein Himmelsquadrat, auf dem ich wichtige Wolkennachrichten empfange. Es ist die Projektionsfläche für die Gegenwart, geeignet als Ergänzung zu dem, was in der Vorführung läuft. Gestern auf der großen Leinwand der neue Film von Godard mit der Bardot und Monsieur Piccoli.
     
    Liebe Erika, der Rektor hat strenge Anwesenheitspflicht angeordnet, sogar für die Schauspieler gibt es keine Ausnahmen mehr. Und für mich keine Reise nach Dresden, aber Neuigkeiten. Ich habe mit dem dortigen Albertinum korrespondiert. Die hatten früher einen Abguss der antiken Laokoon-Gruppe, und zwar mit dem richtigen!, dem gebeugten Arm. Leider zerbombt. Doch im Dresdner Archiv soll ein Briefbündel liegen. Post aus Rom von diesem von dir ausgemachten Herrn Pollak.
    Die Dresdner müssen sofort überzeugt gewesen sein. Pollaks Fund – der richtige rechte Arm des Laokoon. Der Arm hinter dem Nacken.
    Wir haben die Szene in der Fechthalle nachgestellt. Unser Sportlehrer hat Ahnung von Ringkampf. Er hat es mir und den Schauspielstudenten erklärt. Wenn dir der Arm hinter den Nacken gezogen wird, bist du der Verlierer, dann hast du keine Chance mehr. Der andere hat gewonnen. Du bist knocked out. Vater Laokoon ist verloren, und so geht das, wie ich es sehe, weiter:
    Die Schlange züngelt zwischen Vater und Sohn, um den Sohn durch einen Biss zu töten, doch der Vater packt mit festem Griff zu und lenkt so das giftige Maul auf den eigenen hinfällig sterbenden Körper. Die irritierte Schlange tötet den Vater zum zweiten Mal. Nicht mehr in göttlichem Auftrag, sondern in instinktivem Abwehrangriff. Und der ältere Sohn kann sich durch den väterlichen Einsatz retten.
    Das ist mein Bild, so geht meine Hoffnung.
    Liebe Erika, könntest du über diesen Spaziergänger Pollak etwas herausfinden? Seine Adresse war Rom, Piazza Santissimi Apostoli 81. Palazzo Odescalchi.
     
    Liebe Eli,
    er heißt Antonio. Wir sind glücklich. Leider höre ich nichts mehr von meinen Eltern. Könntest Du Dich mal mit meiner Mutter in Verbindung setzen? Auf Pollaks Spuren bin ich noch nicht gewesen. Die angegebene Adresse habe ich auf dem Stadtplan gefunden. Ich behalte die Sache fest im Auge.
    Liebe Eli, noch was Schönes: Wir haben eine Waschmaschine, ich muss nur noch aufhängen. Und das machen wir Italienerinnen mit Vergnügen.
     
    Liebe Erika, alles erdenklich Gute für Dich und Antonio, für die ganze italienische Familie. Gratulation zur Waschmaschine, bei uns dampft immer noch der Windeltopf, kocht über und stinkt. Diesmal Evi, die kennst Du nicht mehr, aber Peter von der Kamera, der ist schon wieder (inoffiziell) Vater geworden. Wir haben jetzt noch einen anderen Geruch im Haus. Ich habe einen Sack Kaffeebohnen, allerdings grün, ungeröstet, in der Dachschräge zwischen Schottersteinen und Schindeln gefunden. Wer den wohl versteckt hat? Der einstige Bauherr oder der Geist des Hauses, Richard Tauber, oder die Russen damals. Die Bohnen sind noch gut. Der Sack steht unten im Küchenwaschraum, wer will, röstet sich was in der Pfanne. An der Wand hängt noch die solide Kaffeemühle aus Porzellan. Du siehst, das Studium geht seinen Gang. Der Dachboden neben meiner Kammer ist voller Krempel. Jeder stellt seinen Koffer hin, Bündel von
Sinn und Form
, Körbe voll Zeitungen. In einem Karton, noch von der Vorbewohnerin wahrscheinlich, habe ich ein wunderbares Dünndruckbuch,
Künstlerbriefe aus fünf Jahrhunderten
, gefunden. Mit Widmung. Zum Lebensfest, immerDein Ortwin, das muss der Dicke von der Bezirksleitung sein, so viel Ortwins gibt es hier nicht. Das habe ich gemaust und einen schwarzen

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