Septemberblut
zu schwächen. Eile war geboten. Mit angestrengtem Saugen erleichterte ich mein Opfer um einige weitere Quäntchen Blut und war endlich gesättigt.
Früher, vor mehr als hundert Jahren, hatte ich immer bis zum Ende getrunken. Es gab nichts Berauschenderes, als das Leben eines anderen zur Gänze in sich aufzunehmen.
Amber beobachtete mich. Der Einfluss des Messers wuchs mit jeder Sekunde. Es streckte seine gierigen Feuerfinger nach mir aus und tat mir weh.
Ich fauchte, doch dann besann ich mich. Demonstrativ leckte ich die letzten Tropfen von meinen Lippen und musste mich mit aller Kraft zusammennehmen, um nicht vor Angst und Schmerz zu zittern.
JuliasHand blutete kaum noch. Ich kroch in ihren Verstand und weckte sie, dann musste alles ganz schnell gehen. Ich gab ihr einen sanften Stoß, und sie machte mehrere unsichere Schritte. Als sie schließlich gegen einen Tisch taumelte, hatte sie mich bereits vergessen. Noch war sie wackelig auf den Beinen, und es geschah genau das, was ich gehofft hatte. Sie stützte sich ab, einige Gläser kippten um und gingen klirrend zu Bruch.
Ein Kellner sah das Unglück und eilte hinzu.
»Oh Gott, ich habe mich geschnitten!«, war das Erste, was Julia über die Lippen brachte.
Wieder mal eine perfekte Inszenierung, dachte ich nicht ohne Stolz, und endlich ließ die Kraft des Messers nach.
Während die ahnungslose Julia ein Taschentuch für ihre Hand gereicht bekam, ging ich zu Amber. Ungläubig beobachtete sie, wie sich mein Opfer etwas geschwächt, aber wohlauf, zu ihren Freundinnen gesellte.
Amber schüttelte den Kopf und ging davon. Ihre Schritte waren energisch, die Haltung steif. Kein Zweifel, was sie beobachtet hatte, machte sie wütend.
»Amber warte! Bleib stehen, bitte!«
Ich holte sie ein und legte eine Hand auf ihre Schulter. Sie fuhr herum und starrte mich an. Ihre Augen funkelten gefährlich.
»Das ist es, was ich bin, Amber! Ich kann es nicht ändern!«
»Und das machst du jede Nacht? Jede Nacht eine andere Frau?«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, denn genauso war es. »Ich kann nicht anders existieren, es gibt keine Alternative.«
Sie presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. »Und ich habe dich geküsst.«
IhrBlick war verletzend. Seit langem hatte keine Frau meine Gefühle so durcheinandergebracht wie sie. Wir kannten uns erst zwei Tage, dennoch beherrschte sie mich wie eine märchenhafte Hexenkönigin.
Ich wollte sie lieben, ihr gefallen und sie auf keinen Fall verlieren, niemals. Es gab kein Leben ohne sie.
Aber Amber war die Herrin des Messers. Ich spielte mit dem Feuer, hatte mich bereits einmal verbrannt und nichts daraus gelernt.
»Du hast Blut an der Unterlippe.«
Ich errötete und wischte mir hastig über den Mund.
»Ich brauche jetzt was zu trinken«, sagte Amber schließlich trocken.
Ich folgte ihr zur Bar, wo sie einen Rotwein bestellte. Zu ihrer Überraschung orderte ich ebenfalls ein Glas. Wir stießen an, ohne einander in die Augen zu sehen. Amber trank einen Schluck. Ich ließ den schweren Syrah durch meinen Mund fließen, spülte den Blutgeschmack fort und spuckte den Rest unauffällig zurück ins Glas.
Amber beobachtete mich und schwieg. Ihr Körper sandte ein verwirrendes Durcheinander von Gefühlen aus, da waren Wut, Angst und Unsicherheit, aber auch Lust.
Wir schlenderten zurück zur Tanzfläche. Ich zögerte. Gerne hätte ich Amber in den Arm genommen, doch dafür war es noch zu früh.
Dann spürte ich plötzlich die Gegenwart eines anderen Vampirs. Ich wusste sofort, wer es war. Der schwule Steven. Es war nicht nett, ihn so zu nennen, doch der Name war irgendwie hängengeblieben. Hin und wieder jagte auch er hier. Er war viel jünger als ich, aber genauso vorsichtig, daher ließ ich ihn gewähren. Ich hätte den Club auch für mich beanspruchen können, doch das war meiner Meinung nach altmodischer Unsinn.
Ambersah mich fragend an. Das Messer hatte sie gewarnt.
»Er ist von meinem Clan. Er wird dir nichts tun«, flüsterte ich in ihr Ohr.
»Wo ist er?«
»Ich glaube, er jagt auf der Terrasse, ich weiß es nicht genau.«
Ambers Herz schlug heftig vor Furcht, und das, so wusste ich mittlerweile, konnte gefährlich werden. Ich stand hinter ihr und legte die Arme um ihre Mitte. Sie ließ es zu.
»Hab keine Angst. Er fürchtet dich mehr als du ihn.«
Sie kämpfte gegen die Macht des Messers an, bis es aufgab und verstummte. Ich beugte mich vor und lehnte meinen Kopf gegen den ihren. Ihr Haar roch so
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