Septemberblut
mich. Ich sah mich um, mit allen Sinnen. Die Lust auf Blut, die ich bislang so erfolgreich unterdrückt hatte, versetzte meinen Körper in höchste Erregung.
Nicht weit entfernt tanzte eine junge Frau und flirtete ganz offensichtlich mit mir. Sie hatte für meinen Geschmack etwas zu viel Schminke aufgetragen, war aber dennoch hübsch anzusehen. Ihren Bewegungen nach zu urteilen, floss eine nicht unerhebliche Menge Alkohol in ihren Adern.
Die Fremde strich sich durch das lange, schwarz gefärbte Haar und tanzte aufreizend auf mich zu. Sie war es.
Kapitel 12
Ich ließ Amber zwischen den anderen Tänzern zurück und bahnte mir meinen Weg zum Rand. Wie von einem unsichtbaren Band gezogen, folgte mir meine Beute nach. Ich musste mich nicht umsehen, ich konnte es spüren. Mittlerweile war der Club gut gefüllt.
Ich steuerte einen dunklen Winkel an. Ein Stehtisch und eine Säule würden das Discolicht von uns abschirmen.
Selbst wenn jemand sah, wie ich zubiss, was höchst unwahrscheinlich war, würde er uns für Freaks halten und uns nicht weiter beachten.
Angezogen wie eine Motte vom Licht, taumelte die junge Frau auf mich zu.
»Hi«, sagte sie und starrte gebannt in meine Augen.
»Hi«, sagte auch ich.
Sie zu berühren, ihr warmes Fleisch zu streicheln, kam mir für den Bruchteil einer Sekunde wie Betrug vor. Amber war meine Erwählte, die Schwarzhaarige nicht mehr als Nahrung. Dennoch musste ich mir ein wenig Zeit für sie nehmen.
Wie ein heißer Regen wusch meine Energie alle Barrieren aus ihrem Körper.
»Wie heißt du?«, fragte ich.
»Julia«, hauchte sie.
»Ein schöner Name.«
Während wir Belanglosigkeiten austauschten, grub ich mich durch ihre Gedanken und überlegte, womit ich die recht auffällige Verletzung erklären konnte, die sie bald haben würde. Ich konnte ihre Wunde mit meinem eigenen Blut verschließen, doch das tat ich nur ungern. Vampirblut war etwas Besonderes, ein Geschenk, das man nicht leichtfertig an Wildfremde vergab.
Ichnahm Julia in den Arm und strich ihr durchs Haar, während ich Amber beobachtete. Meine Beute schmiegte sich an mich, legte ihren Kopf in den Nacken und wartete vergeblich. Ich wollte sie nicht küssen.
Als ihr Geist vollends mir gehörte, schob ich sie bis zur Wand in den dunkelsten Winkel und führte ihre Hand zu meinem Mund.
Statt zuzubeißen, riss ich die Haut mit einem Eckzahn auf. Das Blut floss langsam, und das Trinken bereitete mir Mühe. Bei einem zweiten Versuch gab der Daumenballen mehr her und mein Magen füllte sich.
Julia bekam von alldem nichts mit.
Ihr Körper lehnte schwer gegen meinen, und ich hielt sie mühelos mit einem Arm. Sie war wach und starrte wie hypnotisiert in die tanzenden Lichtpunkte der Discokugel. Mit den Fingern ihrer Linken berührte sie hin und wieder meinen Nacken, strich sanft über meine Brust oder wühlte in meinem Haar. Sie war gefangen in einer weißen Leere, wo ihr weder Schmerz noch Angst etwas anhaben konnten.
Ihr Blut schmeckte schmutzig und ein wenig fad, dennoch empfand ich unendliche Erleichterung und Glück, als es durch meine Kehle ran.
Mein Körper wuchs an dem fremden Leben, der gestohlenen Energie. Bis in die Fingerspitzen rauschte das wunderbare goldene Gefühl, während ihr Herz ruhig gegen meinen Brustkorb trommelte.
Ich seufzte erleichtert zwischen zwei Zügen und schloss die Augen.
Das war ein Fehler.
Amber! Sie beobachtete mich, sie und das Messer. Plötzlich fühlte sich das Blut in meiner Kehle an, als versuchte ich Steine zu schlucken. Doch ich hatte noch nicht genug, um meinenangeschlagenen Körper zu heilen, und ich wollte nicht noch ein zweites Mal jagen müssen.
Angst kroch mir mit eisigen Fingern den Rücken hinauf. Ich hielt den Mund noch immer auf Julias Hand gepresst und drehte mich langsam um.
Da war sie!
Amber stand keine zwei Meter entfernt an der Säule und ihre grünen Augen sprühten Funken. Sie hätte das nicht sehen dürfen.
Julia regte sich in meinen Armen und wimmerte leise. Der Ton holte mich schlagartig zurück. Ich musste mich jetzt auf meine unfreiwillige Wohltäterin konzentrieren, durfte die Gewalt über ihren Geist nicht verlieren, sonst gab es eine Katastrophe. Welch ein Schauspiel, wenn sie plötzlich aufwachte und den Club zusammenschrie. Ich webte meine Magie wieder ein wenig dichter, doch dann erzwang meine Angst erneut den Fokus auf Amber.
Das Messer, es war dort!
Immer wieder bohrte es sich in meine Gedanken, und irgendwie schien es auch meine Magie
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