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Septemberblut

Titel: Septemberblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebekka Pax
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davon, Menschen einfach so zu verwandeln«, sagte ich und dachte daran, wie oft ich mir gewünscht hatte, niemals ja gesagt zu haben.
    Amber sah mich ernst an und verstärkte ihren Griff an meinem Arm. »Dann würdest du mich niemals verwandeln, wenn ich es nicht will?«
    »Nein«, antwortete ich im Brustton der Überzeugung und legte meine Hand auf ihre. Ich war mir sicher, dass ich selber niemanden zu einem Leben in ewiger Finsternis verdammen würde.
    Aber die Medaille hatte, wie immer, zwei Seiten. Was, wenn Amber sterbend in meinen Armen läge? Würde ich mein Versprechen dann noch halten können, oder wäre ich egoistisch und würde ihre Sterblichkeit gegen die Angst vor meiner eigenen Einsamkeit tauschen?
    Und war es nicht auch tabu, Menschen gegen ihren Willen zu Dienern zu machen? Hatte ich nicht genau das getan? Ihr Leben mit Blut und Magie an meines gekettet, so eng, dass ich nicht einmal ehrlich sagen konnte, ob unsere Gefühle füreinander aus dem Siegel resultierten oder aus echter Liebe?
    Zumindest daran konnte ich Curtis die volle Schuld geben. Er hatte mir befohlen, Amber mit dem Blutgeschenk zu zeichnen.
    Amber und ich verließen den Gehweg.
    Die Parkplatzeinfahrt öffnete sich wie ein Tor in eine andere Welt. Bäume reckten ihre Äste über die schlafenden Karossen und unter unseren Schritten knirschte Kies. Auf einmal blieb Amber stehen.
    »Wiealt bist du, Julius?«
    Ich sah sie an. Diese Frage hatte ich erst viel später erwartet.
    Ich war ein Kind der Romantik. Das erste Mal war ich 1789 geboren worden, das zweite Mal fast auf den Tag genau dreißig Jahre später. Ich war schon verdammt lange auf der Erde. Wie ich die Zeit überstanden hatte, wusste ich selbst nicht genau. Manchmal war sie wie im Flug vergangen, an manche Abschnitte meines Daseins wollte oder konnte ich mich gar nicht mehr erinnern. Und dann waren da noch die die dunklen Jahre. Zeiten, in denen ich mir den Tod gewünscht, aber nicht gewagt hatte, es wirklich zu tun.
    Der Freitod eines Vampirs bedeutete Feuer oder brennende Sonne.
    Es gab kein Einschlafen für uns, keinen schönen Tod. Nur Schmerzen.
    Ich war ein Feigling gewesen, hatte es nicht gewagt.
    Ich trat einen Schritt aus dem Lichtkegel der Laterne, hinein in die Dunkelheit.
    Amber starrte mich ungläubig an, die großen grünen Augen weit aufgerissen.
    »Das sind über zweihundert Jahre!«
    »Mehr als drei Menschenalter, ja.«
    »Aber …?«
    Ich fasste Amber bei den Händen. »Komm, komm bitte. Curtis wartet nicht gern.«
    Amber folgte mir zögernd zum Wagen. Sie war aufgewühlt. Immer wieder sah sie mich von der Seite an und suchte nach irgendetwas, das mein Alter verriet.
    »Du musst mir die Schlüssel geben, ich fahre«, sagte ich und hielt meine Hand auf. »Und wir müssen dir die Augen verbinden.«
    »Bitte was?« Sie war entrüstet.
    »Dudarfst den Weg zu ihrem Schlafplatz nicht sehen. Sie haben Angst, dass du tagsüber wiederkommst, um sie zu töten. Du musst verstehen, wie gefährlich du für uns bist.«
    »Julius, ich …«
    »Stell dir vor, du wärst die Hälfte deines Lebens ohnmächtig, völlig schutzlos. Jeder könnte in dein Haus schleichen, neben dir stehen, dich anstarren, dich sogar berühren, ohne dass du dich wehren kannst. Du bist wie erstarrt, gefangen in deinem Körper, umgeben von einem Kokon aus Stein. Und dann gibt es da ein Ding, das dir nach dem Leben trachtet, und diejenige, die es besitzt, hat weder ihre Loyalität bewiesen noch weiß sie, ob sie stark genug ist, es zu beherrschen.«
    Amber setzte mehrfach an, etwas zu sagen. Schließlich stieß sie einen Seufzer aus. »Ich muss total verrückt geworden sein!«
    »Vertrau mir, bitte.«
    Leise klimpernd fielen die Schlüssel in meine Hand.
    »Los, mach, bevor ich es mir anders überlege.«
    Ich verband ihre Augen mit dem abgetrennten Ärmel eines Shirts, das wir aus dem Chaos des Kofferraumes gefischt hatten. Es war eines von Frederiks alten Kleidungsstücken, die Amber zur Heilsarmee geben wollte.
    »Ich sehe bestimmt total bescheuert aus«, sagte sie, nachdem sie unsicher auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte. Ich griff nach ihrer Hand und hauchte Küsse über die Knöchel, bis sie wohlig seufzte. Noch ein flinker Kuss auf den Puls ihres Handgelenks, und ich startete den Wagen.
    Wir folgten dem Wilshire Boulevard nach Westen, und bereits nach einigen hundert Metern merkte ich, dass es mir überraschend große Freude bereitete, die alte Rostlaube durch die Straßen zu jagen. Ich

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