Septemberblut
kurbelte die Fenster hinunter und ließ mir vom Wind das Haar zerzausen.
DerAtem der Nacht war warm und salzig.
»Mutter und ich waren heute in Frederiks Wohnung«, begann Amber plötzlich. Trauer färbte ihre Stimme dunkel. »Es ist schrecklich. Als hätte ich meinen Bruder nie richtig gekannt. Erst jetzt hab ich herausgefunden, wofür er sich interessierte, was er in seiner Freizeit getan hat.«
Er hat Vampire getötet, schrie meine innere Stimme.
»Er hat das Design von Computerspielen gemacht, richtig?«, war das, was ich tatsächlich sagte.
»Ja, das war sein Job. Seine Entwürfe sind wunderschön.«
Ich bog auf den Highway ein und trat das Gaspedal bis zum Boden durch. Amber schrie gegen den Lärm an. »Ich habe eine Armbrust in seinem Schrank gefunden.«
Ich sah kurz zu ihr hinüber.
»Dein Bruder war ein Jäger, Amber, er hat Leute wie mich getötet, und zwar nicht nur mit dem Messer. Er hat uns gehasst. Wenn er einen von uns aufgespürt hatte, verfolgte er ihn bis zu seinem Ruheplatz und erstach ihn im Schlaf.«
Zu gerne hätte ich jetzt ihren Blick gesehen.
»Es hat vor allem junge und Einzelgänger getroffen.«
»Bringst du mich deshalb dorthin? Wollt ihr Rache?« Der Wind zerfetzte ihre Worte. Ich musste die Fenster schließen.
»Nein. Niemand will sich an dir rächen. Außerdem stehst du unter meinem Schutz.«
Ich setzte den Blinker. Sie schwieg, während ich den Highway verließ und den Wagen weiter durch Santa Monica steuerte.
»Was habt ihr für eine Feindschaft mit diesem Gordon?«
»Das ist eine alte Geschichte.«
»Ich würde sie gerne hören.«
»Amber, ich …«
Die Erinnerungen kamen mit einem Schlag.
»Eswar in Frankreich im Jahr 1882. Curtis, Kathryn, drei andere Unsterbliche und ich hatten endlich ein Heim gefunden. Seit meiner Verwandlung waren wir ruhelos durch Europa gestreift. In keinem Ort, der noch von Vampiren unbesetzt war, konnten wir lange bleiben. Nur die großen Städte, in denen die Fabriken wie Geschwüre wuchsen, boten genug Leben, um uns auf Dauer zu ernähren.
Curtis erkaufte sich unseren Platz an dieser gut gedeckten Tafel, indem er seinen Kopf erneut vor einem mächtigen Meister beugte, etwas, das er sich geschworen hatte nie wieder zu tun.
Wir nahmen Wohnung auf einem kleinen Friedhof in Paris. Schon nach kurzer Zeit wurde uns klar, warum die Clans der Metropole so erpicht darauf waren, ihre Reihen mit neuen Vampiren zu füllen. Es drohte Krieg. Noch wagte niemand, laut darüber zu sprechen, aber Unsterbliche verschwanden und Meister wurden vergiftet.
Es war Gordon. Schon damals, als er noch ein junger Clanherr war, kannte er kein Halten. Er raubte Vampire, tötete andere auf feige Art und eignete sich auf diese Weise immer mehr Land an. Es dauerte Jahre, bis der Rat von Paris beschloss, gegen ihn vorzugehen, und selbst dann schlossen sich nicht alle Clans dem Vorhaben an.
Wir waren Teil derjenigen, die den Kampf wagten. Gordon wurde vernichtend geschlagen, wir töteten Vampire und Diener ohne Unterschied. Es war ein Gemetzel. Die Hälfte unseres Clans fiel. Kathryn, der Meister und ich waren die Einzigen, die noch von den Leonhardt übrig waren, als Gordon endlich französischen Boden verlassen hatte. Dezimiert auf drei, waren wir nicht mehr stark genug, um nach Paris zurückzukehren. Damals wurden kleine Clans oft angegriffen und zerstört. Es war eine einfache Art, ältere Vampire zu erbeuten und mit ihnen die eigene Macht zu verstärken.
Damitwir nicht dieses Schicksal teilten, zogen wir weiter nach Nordwesten.
In Belgien nahmen wir ein Schiff in die neue Welt.
Was für ein Schrecken war es, nach Jahren des Umherziehens ausgerechnet an der Westküste auf Gordon zu treffen! Aber er schien aus der Vergangenheit gelernt zu haben und verhielt sich wie ein Ehrenmann, bis seine Gier vor wenigen Jahren wieder die Führung übernahm. Seitdem scheint er an einer neuen Armee zu arbeiten. Niemand weiß genau, wie viele Vampire er in seinem Clan hat, aber es sind viele, schrecklich viele, und es werden ständig mehr. Von den Jungen scheint sich keiner mehr an die Codices zu halten, die wir uns selbst auferlegt haben. Sie achten weder das Leben der Menschen, von denen sie trinken, noch das oberste Gebot: Heimlichkeit! Niemand darf von unserer Existenz erfahren. Der Fürst hat mittlerweile sogar mehrere Vampire damit beauftragt, nach getöteten Opfern Ausschau zu halten und diese notfalls verschwinden zu lassen, bevor die Polizei sie findet. Das Messer
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