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Septemberblut

Titel: Septemberblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebekka Pax
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vor der Treppe auf die Knie fallen.
    Steven, der damit nicht gerechnet hatte, strauchelte und griff hastig nach dem Geländer, um seinen eigenen Sturz abzufangen.
    Füreinige Sekunden schien die Zeit langsamer zu fließen. Amber spürte, dass Stevens Griff an den Handschellen stärker wurde anstatt schwächer und das, obwohl er sie nur noch mit einer Hand hielt.
    Sie konnte nicht mehr. Seit das Messer fort war, fühlte sie sich nur noch elend. Die Waffe hatte ihr Sicherheit gegeben, ihre Stärke war auf sie übergegangen. In der kurzen Zeitspanne eines einzigen Tages hatte sie sich auf erschreckende Weise daran gewöhnt.
    Als sie den kalten Stahl der Handschellen auf der Haut gespürt hatte, war etwas in ihr ausgerastet. Das Messer hatte all ihre Gefühle aufgesogen, und dann hatte sie nur noch Aggression gekannt und den Wunsch zu töten. In jenem Moment hätte sie das Messer ohne Unterschied jedem Vampir in die Brust gerammt, der ihr zu nahe kam. Jedem, auch Julius.
    Amber sackte in sich zusammen und kam sich so schrecklich hilflos vor. Am liebsten hätte sie geweint und einfach nur ihre eigene Dummheit verflucht.
    Warum hatte sie Julius nur vertraut?!
    »Amber, komm bitte mit«, sagte Steven zögerlich.
    Sie sah auf. Der junge Vampir schien von der Situation beinahe überfordert zu sein. Trotzdem wurde er nicht nachlässig. Seine Hand hielt ihre Fesseln noch immer sicher fest, und wo er sie berührte, spürte sie die Eiseskälte seiner Haut.
    »Steh auf, Amber, bitte.«
    Sie schüttelte nur den Kopf, ihr Hals war wie zugeschnürt. Stevens Blick änderte sich, die Augen wurden heller, der volle Mund bekam plötzlich einen harschen Zug. »Ich will dir nicht weh tun, aber ich werde es, wenn es sein muss«, drohte er und bleckte kurz die Zähne.
    Amber zuckte zurück. Der fröhliche High-School-Junge war nicht mehr. Steven offenbarte seine Raubtiernatur, und siezweifelte nicht mehr an seiner Entschlossenheit. Er würde alles tun, um den Befehl seines Meisters auszuführen, alles.
    Amber erhob sich steifbeinig und stapfte hinter Steven die Treppe hinauf. Nach wenigen Stufen kamen die ersten Tränen.

    Ich stolperte hinter meinem Meister her, als sei mir der Weg völlig unbekannt. Er führte mich durch dunkle Gänge, spärlich erleuchtet von alten goldenen Wandlampen. Bilderrahmen warfen mein mattes Spiegelbild zurück.
    Ich sah hin und erschrak.
    Die Wunden, die mir der weißhaarige Vampir in der vergangenen Nacht geschlagen hatte, waren wieder da und bluteten. Meine Haut schimmerte transparent, nahezu durchsichtig. Adern leuchteten bläulich. Die Kraft des Messers hatte mich fast aufgezehrt.
    Curtis öffnete schweigend eine holzverkleidete Stahltür.
    Seine kalte Hand hielt noch immer mein Gelenk, und ich verdankte es einzig dem stetigen Energiefluss, der von Curtis ausging, dass ich die Kraft fand, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
    Erdgeruch umfing uns, als wir die lange Treppe zu seinen Gemächern hinabstiegen. Zu beiden Seiten, hinter der Wand, lagen die alten Indianergräber, Dutzende davon, oft in mehreren Schichten übereinander. Eine weitere Tür aus feuerfestem grauen Stahl, und wir waren da.
    Feuer prasselte im Kamin und tauchte Wände und Möbel in goldenes Licht. Die Sehnsucht, meine kalten Glieder zu wärmen, wurde beinahe schmerzhaft.
    Curtis lebte in seiner eigenen Welt, einer Welt, die bereits seit Jahrhunderten untergegangen war. Die Kalksteinwändeseiner Kammer waren übersät mit Fresken. Tristan und Isolde in Grün- und Blautönen. Mittelalterliche Gemälde, die im Gegensatz zu den Originalen im Südtiroler Schloss Runkelstein erschreckende Lebendigkeit besaßen.
    In der Nähe des Kamins stand ein Steinsarkophag. Aus seinem Deckel war ein liegender Ritter herausgemeißelt, der seine Füße auf zwei Löwen bettete.
    Die Berührungen unzähliger Hände hatten den Granit glattgeschliffen und schwarz poliert.
    An den Wänden standen Regale voller Bücher: moderne Taschenbücher neben alten, ledergebundenen Folianten und einer Erstausgabe von Miltons Paradise Lost .
    Curtis hieß mich auf dem Sofa Platz zu nehmen. Er selbst kniete sich vor mich.
    Ich war so schrecklich müde, war das alles so leid. Die Nähe des Meisters ließ mich erst recht meiner Schwäche bewusst werden.
    »Diese Aufgabe frisst dich auf«, sagte er leise. »Wenn du willst, entbinde ich dich davon.«
    Ich schwieg.
    Curtis strich mir die Locken aus der Stirn und musterte mich.
    »Mein Diener Robert könnte den Platz des Adepten

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