Septemberblut
Stoff. Mein Haar war verklebt und ich roch wie ein Hafenbecken.
Während ich mich auszog und wusch, suchte mir Curtis wie eine fürsorgliche Mutter Kleidung heraus.
»Steven vermisst dich, er fragt oft nach dir«, sagte er, während ich mir meinen Kopf über dem Weihwasserbecken einseifte. »Anscheinend hast du ihm etwas versprochen. Warum willst du das tun?«
Er spielte auf den Bluttausch an.
»Warum hast du mich beschenkt?«, gab ich zurück. »Ich mag ihn und er verdient es.«
»Das ist etwas anderes. Du weißt, was du mir bedeutest. Außerdem hattest du eine Aufgabe für mich erfüllt, an der andere zugrunde gegangen wären. Du hattest es dir mehr als verdient.«
Ich trocknete mich ab und zog mich an. Ich vermied jeden Gedanken an Amber, aber diese Frage musste ich stellen. »Was ist mit dem Messer?«
»Ich habe ein paar Tage gewartet. An deiner Reaktion konnte ich ablesen, dass die junge Frau nicht wiedergekehrt ist. Robert hat das Messer in Verwahrung, doch er weigert sich, es zu benutzen.«
»Du könntest es ihm befehlen.«
»Sicher.«
»Aber?«
Curtis sah mich nachdenklich an. »Ich dachte, das hättest du von Miss Connan gelernt. Es ist immer besser, wenn Vampirund Diener in die gleiche Richtung blicken. Freier Wille ist der Schlüssel zur vollen Wirkung der Siegel.«
»Du hast es mir nie erklärt«, sagte ich und spürte den Zorn in mir erwachen.
Curtis lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. »All die Jahre in meiner Gegenwart und du willst mir sagen, dass du nichts gelernt hast? Das glaube ich dir nicht. Du hast Augen und Ohren und einen klaren Verstand, das sollte eigentlich reichen, um zu sehen, dass mich mit Robert eine tiefe Freundschaft verbindet. Manchmal befehle ich in kleinen Dingen, aber ich schätze Rat und Hilfe höher.«
Selten hatte Curtis so offen mit mir gesprochen.
»Hat er je um die Gabe gebeten?«, fragte ich.
»Darum, dass ich ihn zu einem von uns mache? Nein, nie. Robert liebt den Tag zu sehr, um ein Wesen der Nacht zu werden.«
Ich nickte, dachte an Amber. Sie hätte mein Tag sein können.
»In den nächsten Wochen sollten wir einen Adepten finden. Das Messer braucht einen freien Geist als Träger. Deine Amber wäre eine gute Wahl gewesen.«
»Ich habe alles falsch gemacht, Curtis.«
»Vielleicht braucht sie nur Zeit.«
»Ohne das Messer wäre es vielleicht so. Aber dafür ist es jetzt zu spät. Es hat alles zerstört. Amber ist nicht wie wir. Der Tod ist nicht Teil ihres Daseins.«
Curtis stieß sich von der Wand ab und kam auf mich zu. »Aber sie ist die Trägerin. Sie ist Frederiks Erbin. Er hat ihr das Messer hinterlassen, damit sie fortsetzt, was er begonnen hat.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Julius, lass dich nicht von deinen Gefühlen blenden, das Siegel verstärkt sie auf unnatürliche Weise. Du kennst das Mädchen doch kaum!«
»Ichliebe sie, Curtis.«
»Das ist Unsinn. Überlege doch mal …«
»Ich möchte nicht darüber reden, Meister. Bitte.«
»Wie du willst.«
In dieser Nacht streiften wir gemeinsam durch mein Revier. Unser Weg führte durch die belebten Viertel, vorbei an Restaurants und Bars, über neonbeleuchtete Boulevards und palmengesäumte Alleen.
Schließlich wurden wir der Menschen müde und wandten uns nach Norden. Es ging stetig bergauf. Kojoten huschten durch die Schatten der Hinterhöfe. Schließlich verließen wir die geteerten Wege endgültig und tauchten in Waldesdunkel.
Der Mond stand als breite Sichel am aschgrauen Himmel. Heiße Santa-Ana-Winde rauschten in den Wipfeln der hartblättrigen Eichen. Wir stiegen staubige Wege hinauf und setzten uns unter eine Kiefer. Der warme Wind bog die Gräser. Am Berg rechts hinter uns zeichnete sich der Hollywood-Schriftzug ab, vor uns lag die Stadt, leuchtend, irisierend. Der viele Staub in der Luft trog das Auge und ließ die Lichter funkelten wie Juwelen.
Ich zog die Beine an, stützte das Kinn aufs Knie und starrte auf endlos aneinandergereihte Schachbretter aus Licht, deren Linien sich in den Hügeln verloren.
Curtis saß neben mir und hatte zu seiner Reglosigkeit zurückgefunden. Sein Blick ging in die Ferne, doch ich ahnte, dass mir der Meister etwas zu sagen hatte.
»Gestern ist der Rat zusammengetreten«, begann er.
Sofort schnürte sich mein Hals zu. Ich schluckte, doch der Druck blieb. Ich wusste, was seine Worte bedeuteten.
»Gordon? Ich dachte, jetzt, da wir das Messer haben …«
»Nein. Er macht einfach weiter, als sei nichts geschehen. Wirbeobachten ihn.
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