Septemberblut
Gordons Blut klebte an ihm. Und es war nicht das irgendeines Vasallen, es stammte von dem Meister selbst.
Ich starrte ungläubig hinaus. Frederik trug einen schwarzen Anzug, womöglich den, in dem er beerdigt worden war. Sein Gesicht war ohne Mimik und erschien im Licht der Laternen beinahe grünlich. Das war eindeutig ein Toter und kein Vampir.
Das Taxi nahm Fahrt auf, und bald konnte ich den Mann nicht mehr sehen. Was hatte Gordon jetzt wieder ausgeheckt? Was bezweckte der Meister aus Downtown damit? Und vor allem, wie hatte er es gemacht?
Während ich grübelte, ohne zu einem Ergebnis zu kommen, plauderte der Taxifahrer fröhlich vor sich hin. Die Sprache war weder Englisch noch Hindi, sondern eine obskure Mischung aus beidem. Es kümmerte ihn nicht, dass ich nicht zuhörte.
Bis wir Gower Street, Ecke Sunset erreichten, war ich völlig hypnotisiert von dem rosa Ganesha mit Blinklichtern auf dem Armaturenbrett.
Ich bezahlte, wünschte noch eine schöne Nacht und wartete, bis der Wagen hinter der nächsten Straßenecke verschwunden war.
Erst nachdem ich mich versichert hatte, dass mich wirklich niemand beobachtete, kramte ich meinen Schlüssel für das Tor heraus und schloss auf.
Sobald ich den Friedhof betrat, meldeten die Pfaue lautstark meine Ankunft. Die bunten Vögel, die tagsüber über die Gräber stolzierten, verbrachten die Nächte in einem Holzverschlag. Ich hatte sie nie frei gesehen.
Während ich meine Schritte über die breiten Straßen des Friedhofs lenkte, beschloss ich, meinen Meister anzurufen undvon dem untoten Vampirjäger zu berichten. Ich schlurfte durch das dicke Gras, ging an meinem Mausoleum vorbei und setzte mich schließlich auf meinen Lieblingsplatz: die Steinbank unter dem alten Wacholder.
Curtis meldete sich nicht. Beim zweiten Versuch war der Empfang gestört. Wahrscheinlich hatte er sich wieder in seine Gemächer zurückgezogen, tief unter der Erde, unerreichbar für Feinde und Handys.
Ich war mir selber nicht darüber im Klaren, was ich denken sollte. Vielleicht versuchte ich deshalb nicht, telepathisch Kontakt aufzunehmen.
Ich starrte auf den Teich mit seinen riesigen Kois, die als schlafende Schatten unter der Wasseroberfläche trieben. Genau hier hatte ich auch mit Amber gesessen.
Wir hatten geredet und uns an den Händen gehalten. Vor zwei Wochen hatte ich noch geglaubt, dass sich meine Welt ändern würde, dass ich zu den Lebenden zurückkehren konnte.
Amber hätte mein Tor in die normale Welt sein können, doch das war vorbei. Ich hatte mir meine Chance zerstört.
Meine Welt war nicht die ihre, und sie hatte sich ihr gleich von der schlimmsten Seite gezeigt, von ihrer tödlichen.
Damit, dass Amber mich verlassen hatte, war auch meine Chance auf eine Dienerin dahin. Ohne die Möglichkeit, das Siegel zurückzunehmen, würde sie auch nicht wiederkehren, solange Amber lebte. Ich konnte keinen weiteren Menschen an mich binden. Es blieben nur zwei Möglichkeiten: Ambers Tod oder die Verwandlung gegen ihren Willen, Curtis hatte es selbst vorgeschlagen. Aber nichts und niemand würde mich dazu bringen, so etwas zu tun.
Ich liebte sie noch immer, und wie!
Gerade deshalb war es vielleicht besser, wenn sie sich von mir fernhielt.
MeineWelt war gefährlich, und ich war es ebenfalls.
Ich war ein Jäger und ich würde es immer sein, so viel war mir heute Abend wieder klargeworden. Julius Lawhead war ein Henker im Namen des Rates. Ein Mörder, der nur deshalb weitermachen durfte, weil auch der Vampirrat jemanden brauchte, der für ihn die Drecksarbeit erledigte.
Und jetzt war ich bei meinem blutigen Handwerk beobachtet worden. Einen Menschen hätte ich gespürt, einen Vampir ebenfalls, doch Frederik nicht.
Warum nicht? Was war er, wenn kein Vampir?
Ich grübelte und wurde doch nicht schlauer aus meinen Überlegungen. Stunden flossen dahin, und erst als sich der Hollywood-Schriftzug auf den Hügeln rosa färbte, verkroch ich mich in meiner Zuflucht.
Zum ersten Mal seit Wochen galt mein letzter Gedanke nicht Amber, sondern Frederik, ihrem Bruder.
Kapitel20
Am nächsten Abend tat ich, was ich vielleicht nicht hätte tun sollen. Ich fuhr nach Silverlake, zu Amber. Mit klopfendem Herzen stand ich kurz nach Sonnenuntergang vor dem kleinen Bungalow.
Nach unentschlossenen Minuten öffnete ich das Gartentörchen, ging zwei Stufen zur Veranda hinauf und klingelte. Der Ton summte durchs Haus.
Ich hörte Schritte eine Treppe hinunterkommen, doch das war nicht Amber. Als die Tür
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