Septembermann: Lovestory (German Edition)
Kaffeetrinken die nachdenkliche Stille von Peter.
„Zur Rushhour an einer der Schlagadern des Stadtzen trums zu sitzen ist, als sieht man einen Monumentalfilm aus einer anderen Welt.”
„Vor allem am Wochenende.”
„Unser sechstes.“ Peter zieht diabolisch die Mundwinkel nach unten.
*
„ Wie geht’s Sascha, Jane?”
„Er hat heute seinen Männertag und anschließend tre ffen sie sich auf ein Bier.”
„ Kommt er mit seinem Projekt voran?”
„Sein Terminkalender ist randvoll , keine freie Spalte für meine Beichtstunde. Ab und an fliegt eine SMS durchs Handy, nur sein Küsschen muss er auf althergebrachte Weise übermitteln. Knutschende Apparate wurden bis jetzt nicht erfunden.“
„Weswegen bist du so sarkastisch, Jane? Er liebt dich abgöttisch , schaut verdammt gut aus, behält stets den Überblick und ist tolerant. Was willst du mehr?”
„So ein Lobsang. Ich liebe ihn auch. Bisweilen kommt es mir vor, als wäre ich mit einem Computerfreak liiert. Mein Lie blingsblonder hat die Vision, dass absehbar Handy, PC und Laptop drahtlos miteinander funktionieren.”
„Manchmal wird mir die rasante Entwicklung in diesem Bereich unheimlich. Vor vier Jahren waren Handys L uxus. Heute ist es für Schüler das Kommunikationsmittel.”
„Du, Cora, eines Tages wird der Heimcomputer ein Familienmitglied, der uns die Wünsche von den Augen abliest.”
„Und uns nach Stimme und Gesicht identifiziert.“
„Er kennt unsere Gepflogenheiten aus dem Effeff. Unser Wunschmovie, bereitet auf Knopfdruck unsere Lieblingsspeise und tätigt die Einkäufe inklusive Lieferservice.”
„Arbeitet als perfekter Raumkosmetiker: Schrubber und Staubsauger tanzen nach Tasteneing abe“, ergänzt Jane.
„Er sortiert die Schmuddelwäsche programmgerecht“, kreischt Cora.
„Haben wir heute unseren Kindertag?” Jane bückt sich spontan, schaufelt mit den Händen bunte Blätter vom Waldweg auf und schmeißt sie hoch. Die Laubdusche rasselt auf einen kleinen Hund, der bellt, und seine Schnüffelnase aus dem Häufchen streckt.
„Das Elektronengehirn erteilt den Kids Verhaltensregeln und Pauker wird ein Traumjob. Eine Rotznase meldete sich kürzlich in meiner Unterricht sstunde. Warum fragen sie immer mich, wenn sie die Antwort nicht finden? Ich musste mich umdrehen, dass er mein Grinsen nicht sah. Nach den ersten Wochen staune ich über das Markenbewusstsein meiner Abc-Schützen, vom Füller bis zur Schultasche. Meist steigert sich dieser Trend in den Oberstufen immens.
„Leider, Cora, entscheidet das bewusste Etikett über Cliquenzugehöri gkeit.“
„Ich versuche, meinen Erstklässlern zu vermitteln, dass das Outfit ihrer Mitschüler unwesentlich ist und deren Persönlic hkeit zählt. Das Gespräch mit einer Mutter an meinem ersten Elternabend war deprimierend. Sie hat mit vierzig ihre Tätigkeit verloren, stapelt Bewerbungsabsagen und übt sich im Verzicht, damit ihr Sohn in hipper Kleidung zum Unterricht erscheinen kann. Aus diesen Gründen plädiere ich für die Schuluniform. Die Kinder könnten sich auf das Wesentliche, dem Lernen konzentrieren und wären keinen Diskriminierungen ausgesetzt.”
„In Deutschland, dem Land der ellenbogendenkenden Individualisten? Man müsste die Sch üler abstimmen lassen.”
„Der Schuldienst hat sich derart gewandelt. Wie das Leben der Erwachsenen b estimmt die Hightech-Industrie den Alltag. Das gute alte Kasperle ist verstaubter Pensionär. Die einst beliebte Handpuppe ersetzen Monster aus dem TV. Märchen? Wer von den Schulanfängern kennt Schneewittchen oder altbewährte Spiele? Verstecken, was ist denn das für ein Game?, hat sich neulich ein Mädchen hochnäsig erbost.“
„Die Nachmittage der Schüler prägen Reit- und Klavie runterricht, Fußballtraining oder Computerspiele. Wenn’s sich ihre Eltern leisten können. Meine Märchen der Gebrüder Grimm, vier Bände, Cora, stehen in der Wohnwand. Kindheitserinnerungen und Nestwärme sind damit verbunden. Ich lese meinen Knirpsen eines Tages daraus vor.“
„Setzt du es zum gegebenen Zeitpunkt um? Was heißt hier den Knir psen?”
„Erstens bin ich davon überzeugt. Zweitens eine Püppi wü nsche ich mir schon lange, das weißt du. In dieser Hinsicht reagiert Sascha mit seiner Standardantwort: Wir haben Zeit, bricht er lapidar dieses Thema ab.”
„Zugegeben, ein paar Jährchen bleiben euch. Was läuft abends in der Ki ste?”
„ Dr. Specht wird Lehrer auf der Berliner Internatsinsel Krähenwerder.
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