Septembermann: Lovestory (German Edition)
Kein leichter Einstand. Hausmeister Lurch spielt vor leeren Bänken Erzieher und die Pennäler versenken Spechts Ente im See, kündigt das Programmheft an. Magst du, Cora?”
„Und ob. Lümmeln wir auf deinem Sofa und genehmigen uns Sahnelikör. Du, Jane.”
„Ja?”
„Geh bitte zum Doc. Dein extremes Schlafbedürfnis ist ung ewöhnlich.”
„Jawohl, Frau Lehrerin.”
Jane fühlt sich unwohl bei dem Check-up-Gedanken. Sie versucht, ihre Gefühlsregung zu verbergen. Cora schenkt ihr einen Seitenblick, der ihr verrät, dass sie ihre Besorgnis teilt. Damit ist das Thema vom Tisch. Vorerst.
*
In den spärlich beleuchteten Boulevards zwischen Abgasen, Gehupe, Geknatter der Hondas und dem Fahrradgeklingel pulsiert das Nachtleben.
„So ein mobiles Menschengewusel“, bemerkt Peter.
„Damit erfüllten sich die Vietnamesen Ende der achtziger Jahre ihren Lebenstraum. Den Wunsch nach Freiheit und Konsum“, fährt Stefan fort.
„Wie die Montagsdemonstranten in Leipzig in dem ve rschwundenen Land DDR haben die vietnamesischen Bürger ihren Sieg über Trillerpfeifen und Schlagstöcke der Uniformierten besiegelt. Das zeigt, was ein Volk durch Zusammenhalt erreichen kann. Nach der Vertragsunterzeichnung fliegen wir endlich nach Hause.“
Peter vermeidet bewusst zurück in die Zivilisation, wie sich die Europäer oftmals über andere Länder überhe blich auszudrücken pflegen. Sicher sind einige Staaten weltweit von modernen Standards entfernt. Vieles ist im Argen, das wird sich ändern, denn auch diese Menschen wünschen sich mehr Lebensqualität. Verständlich. Nur sollte man sie nicht, ohne ihre Wurzeln zu berücksichtigen, in ein Konzept zwängen.
„Hast du deine Siebensachen reisefertig verstaut, Peter?”
„Sieben? Ich musste mir einen Koffer kaufen.”
Tags darauf begleiten sie die vietnamesischen Kollegen zum Airport, und der große Männerhandshake setzt zum Abschied ein.
Au revoir! Ihr Flieger startet und mit ihm Peters Hoffnung, Jane zu finden.
„Warum müssen wir in Amsterdam umsteigen?“, motzt Peter.
„Null Ahnung“, reagiert Stefan zerknirscht.
Während des langen Fluges rutschen sie von einer G esäßbacke auf die andere, bis der Himmel den Blick auf den Bodensee freigibt. Sie haben die gleichen Gedanken: Flughafen! Zürich! In den Zug! Weinfelden umsteigen! Aussteigen in Konstanz! Taxi bitte! Duschen und unter die heimische Bettdecke!
Stefan kann es kaum erwarten, dass seine Frau ihn in die Arme nimmt und Peter graut es vor seiner leeren Wo hnung. Mit einer Ausnahme, er denkt an den Tag und die Nacht im letzten Septemberwind. Der ist längst verweht und damit die Erinnerung von Jane an ihn. Liebe kann verwirren, weil sie vereinsamt, wenn sie nicht erwidert wird. Kein Telefon schrillt, als er über seine Schwelle tritt. Ruhe im Gegensatz zur anstehenden Hektik in der Firma, die ihn weiterhin von seinem Einmaleins der Sehnsucht nach Jane ablenken wird.
Leise nimmt er das Surren eines Apparates am Ende des Ganges wahr. Als er die Koffer in seiner Diele abstellt, hört er jemand eilig den Gang zum Fahrstuhl entlangla ufen.
Es ist Cora. Ihre Freundin hat sie soeben angerufen.
„Jane? Du bist ja völlig aufgelöst?”
„Cora, Cora, ich sehe mich mehrfach.“
„Weinst du? Hast du zu viel vom Kaffeelikör getrunken?”
„Kannst du bitte kommen? Bring e deine Schultasche für morgen mit.”
„Ich bin gleich bei dir.” Cora hält ihren Hörer bestürzt in der Hand. Jane hat aufgelegt. Was bedeutet ihr Hilferuf?, fragt sich Cora. Derart verstört reagieren sie lediglich in einer prekären Lage. Wie damals bei Philipp, als Cora Jane um drei Uhr nachts aus dem Bett klingelte und sie sich vor dem Polizeirevier getroffen haben. Während Cora hastig ihre Unterrichtsutensilien zusammenpackt, schießt ein Gedankenblitz durch ihren Kopf: Janes Arztbesuch!
*
Stefanies Ehemann schläft seit Stunden nach der stürmischen, sehr herzlichen Begrüßung.
„Das nervt echt voll“, mosert ihr zehnjähriger Enkel. „Ich habe Opi so lange nicht gesehen. Er hat sicher viel zu erzä hlen.”
„Das wird er, mein Großer, wenn er munter ist.”
Enttäuscht nimmt Tino seinen kleinen Bruder Ben an die Hand und schlürft heim zu seiner Mama, Stefanies Tochter Doreen.
Stefanie ist auf die Neuigkeiten von ihrem Gö ttergatten gespannt. Sie schüttelt lächelnd den Kopf, als sie sich an damals erinnert.
Stefans verletzende Seitenspringer-Kapriolen sind seit Jahren
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