Septimus Heap 01 - Magyk
natürlich.
Nur auf den Lehrling könnte ich gut verzichten, dachte Junge 412. Der Lehrling erinnerte ihn an die vielen Leute, die ihn in seinem früheren Leben gequält hatten. In seinem früheren Leben. Genau das sollte es sein, beschloss er. Ganz gleich was geschah, er würde nie in die Jungarmee zurückkehren. Niemals.
Tante Zelda sprach mit leiser Stimme. »Jetzt werde ich den Mond bitten, uns Septimus Heap zu zeigen.«
Junge 412 bekam eine Gänsehaut und starrte in das glatte dunkle Wasser des Teichs. In der Mitte prangte ein vollkommenes Spiegelbild des Mondes, das so klar war, dass er die Meere und Gebirge des Mondes deutlicher sah als je zuvor.
Tante Zelda hob den Blick zum Himmel und sprach: »Bruder Mond, Bruder Mond, zeige uns, wenn du magst, den siebten Sohn von Silas und Sarah. Zeige uns, wo er jetzt ist. Zeige uns Septimus Heap.«
Alle hielten den Atem an und beobachteten gespannt die Oberfläche des Teichs. Septimus war tot. Was würden sie sehen? Einen kleinen Knochenhaufen? Ein kleines Grab?
Es wurde still. Das Spiegelbild des Mondes wurde größer und größer, bis ein riesiger und fast vollkommener weißer Kreis den Ententeich ausfüllte. Zuerst zeigten sich dunkle Schatten in dem Kreis. Langsam wurden sie deutlicher, und dann sahen sie ... ihre eigenen Spiegelbilder.
»Seht ihr«, sagte der Lehrling. »Ihr habt mich sehen wollen, und da bin ich. Ich hab’s euch gesagt.«
»Das hat gar nichts zu bedeuten«, brauste Nicko auf. »Das sind nur unsere Spiegelbilder.«
»Vielleicht«, sagte Tante Zelda nachdenklich. »Vielleicht auch nicht.«
»Können wir sehen, was mit Septimus nach seiner Geburt geschehen ist?«, fragte Jenna. »Dann würden wir vielleicht erfahren, ob er noch am Leben ist, oder?«
»Ja, das würden wir. Ich werde darum bitten. Aber es ist viel schwieriger, in die Vergangenheit zu blicken.« Tante Zelda holte tief Luft und sagte: »Bruder Mond, Bruder Mond, zeige uns, wenn du magst, den ersten Tag im Leben des Septimus Heap.«
Der Lehrling schniefte und hustete.
»Ruhe bitte«, zischte Tante Zelda.
Langsam verschwanden ihre Spiegelbilder von der Wasseroberfläche, und an ihre Stelle trat ein Bild, das gestochen scharf aus dem mitternächtlichen Dunkel hervorleuchtete.
Es zeigte einen Ort, den Jenna und Nicko gut kannten: ihr Zuhause in der Burg. Wie ein Gemälde lag es vor ihnen. Die Menschen im Zimmer waren unbeweglich, erstarrt in der Zeit. Sarah lag in einem behelfsmäßigen Bett, im Arm ein Neugeborenes, neben sich Silas. Jenna stockte der Atem. Auf einmal wurde ihr bewusst, wie sehr sie ihr Zuhause vermisste. Sie blickte zu Nicko. Sein Gesicht hatte diesen konzentrierten Ausdruck, den sie von ihm kannte, wenn er sich nicht aufregte.
Plötzlich zogen alle hörbar die Luft ein. Die Gestalten begannen sich zu bewegen. Lautlos und mit flüssigen Bewegungen wie in einem Film spielten sie eine Szene vor, und die Zuschauer waren hingerissen – bis auf einen.
»Die Camera obscura meines Meisters ist hundertmal besser als dieser alte Ententeich«, sagte der Lehrling verächtlich.
»Halt die Klappe«, zischte Nicko zornig.
Der Lehrling seufzte und zappelte herum. Ist doch alles Quatsch, dachte er. Hat mit mir überhaupt nichts zu tun.
Der Lehrling irrte. Die Ereignisse, die er beobachtete, hatten sein Leben verändert.
Das Zimmer der Heaps sieht etwas anders aus. Alles ist neuer und sauberer. Und Sarah Heap ist vieljünger. Ihr Gesicht ist voller, und in ihren Augen wohnt keine Traurigkeit. Ja, sie sieht rundum glücklich aus und hält ihren neugeborenen Jungen Septimus im Arm. Auch Silas ist jünger. Sein Haar ist nicht so zottelig, und sein Gesicht hat weniger Sorgenfalten. Außerdem sind sechs kleine Jungs da, die ruhig miteinander spielen.
Jenna lächelte wehmütig. Der kleinste mit dem widerspenstigen Wuschelhaar musste Nicko sein. Er sah so süß aus, wie er aufgeregt hin und her hüpfte und das Baby sehen wollte.
Silas hebt Nicko hoch, damit er seinen neuen Bruder sehen kann. Nicko streckt seine kleine Patschhand aus und streichelt dem Baby sanft die Wange. Silas sagt etwas zu ihm und setzt ihn ab, und er läuft zu seinen älteren Brüdern zurück, um weiterzuspielen.
Jetzt verabschiedet sich Silas von Sarah und dem Baby mit einem Kuss. Er hält inne und sagt etwas zu Simon, dem Ältesten, und dann ist er fort.
Das Bild verblasst, Stunden verstreichen.
Jetzt erhellt Kerzenlicht das Zimmer der Heaps. Sarah stillt das Kind, und Simon liest seinen
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