Septimus Heap 03 - Physic
murrte sie. »Ich habe dir doch gesagt, dass du mich in Ruhe lassen sollst. Das blöde Schaufelboot brauche ich sowieso nicht.« Lucy hatte sich in ihren blauen Mantel gewickelt und die Arme um die Knie geschlungen, und die rosa Bänder, die sie als Schnürsenkel benutzte, waren feucht vom nassen Gras. Sie hielt einen Brief in der Hand, der vom häufigen Auseinander- und Zusammenfalten ganz zerknittert war, und bewegte langsam die Lippen, während sie seinen Inhalt las, den sie in- und auswendig konnte. Der Brief war von Simon Heap. Sie hatte ihn im Saum des blauen Mantels gefunden, den ihr Jenna gebracht hatte. Der Briefkopf bestand nur aus dem Wort Observatorium, und darunter stand:
Meine liebste Lucy,
dieser Mantel ist für Dich. Ich werde bald zurückkommen, und dann werden wir zusammen oben im Zaubererturm leben. Du wirst stolz auf mich sein. Warte auf mich.
Dein Liebster,
Simon.
Aber Lucy war das Warten leid, und da sie jetzt wusste, dass Simon nie wieder in die Burg zurückkehren konnte, hatte sie sich auf die Suche nach ihm begeben. Aber bis jetzt hatte sie eigentlich nur geschlafen und nach dem Aufwachen feststellen müssen, dass ihr Boot nicht mehr da war. Das war kein guter Anfang. Wolfsjunges Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
»Ich habe dein Boot gefunden«, sagte er außer Atem.
»Wo?«, fragte Lucy, faltete hastig den kostbaren Brief zusammen und sprang auf.
»Nicko hat es.«
»Nicko Heap? Simons Bruder?«
»Ja, das ist er wohl. Aber dafür kann er ja nichts.« Wolfsjunge, der einem Betäubungsblitz Simons als Zielscheibe gedient hatte, hatte keine hohe Meinung von Simon Heap.
»Was willst du damit sagen, dafür kann er nichts, du unverschämter Lümmel?« Lucys braune Augen funkelten zornig.
»Nichts«, sagte Wolfsjunge, der merkte, dass mit Lucy nicht zu spaßen war. Langsam bereute er es, dass er ihr vorhin seine Hilfe angeboten hatte, als er sie unter Tränen das Ufer absuchen sah.
»Und wo ist dieser Nicko Heap?«, verlangte Lucy zu wissen. »Ich werde ihn fragen, was ihm einfällt, einfach mein Boot zu stehlen. So eine Frechheit.«
Wolfsjunge deutete grob in Richtung der Alfrun, wohl wissend, dass er es wahrscheinlich nicht tun sollte, und sah dann Lucy nach, wie sie am Ufer entlang davonstapfte. Er folgte ihr in sicherem Abstand, und der konnte bei Lucy Gringe nicht groß genug sein.
Als er sich der Alfrun näherte, vernahm er laute Stimmen.
»Gib mir mein Boot zurück!«
»Das Boot gehört Rupert, nicht dir!«
»Rupert sagt, dass ich mir jederzeit ein Boot nehmen kann, und damit basta.«
»Nun,ich ...«
»Und jetzt nehme ich mir eins – kapiert, Nicko Heap?«
»Aber...«
»Entschuldigung. Würdest du mir aus dem Weg gehen?«
Wolfsjunge kam gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Lucy übers Deck rannte und über den Schwanz des schlafenden Feuerspei stolperte. Aber so leicht ließ sich Lucy Gringe nicht aufhalten. Sie rappelte sich hoch, hielt sich die Nase zu, als Feuerspei eine weitere Gasblase freisetzte, und ließ sich an der Bordwand der Alfrun hinab.
Nicko kam an die Reling. »Wo willst du denn damit hin?«, fragte er besorgt.
»Das geht dich nichts an, du neugieriger Kerl. Sind alle Brüder Simons solche Nervensägen und Wichtigtuer wie du?«
Snorri setzte Simon auf die Liste der Brüder. Wie viele hatte Jenna denn noch?
»In dem Schaufelboot bist du auf dem Fluss nicht sicher«, warnte Nicko. »Das ist doch nur ein Spielzeug. Damit gondelt man zum Spaß auf dem Burggraben herum.«
Lucy sprang ins Boot, das bedenklich schaukelte. »Es hat mich bis hierher gebracht und wird mich auch nach Port bringen, damit du’s weißt.«
»Damit kannst du nicht nach Port fahren!«, rief Nicko entsetzt. »Hast du eine Vorstellung, wie stark der Tidenstrom in der Flussmündung ist? Die Strömung wird dich aufs offene Meer hinaustreiben, wenn du nicht schon vorher in den Wellen vor der großen Sandbank gekentert bist. Du bist verrückt.«
»Vielleicht«, sagte Lucy schmollend. »Ist mir doch egal. Ich fahre auf jeden Fall.« Sie machte die Leine los, ergriff die Schaufelradkurbeln und drehte sie wie wild.
Das kleine rosa Boot fuhr wackelig auf den Fluss hinaus, bis es Nicko nicht mehr mitansehen konnte. »Lucy!«, rief er. »Nimm mein Boot!«
»Was?«, schrie sie gegen das Klappern der Schaufeln an.
»Nimm mein Boot – bitte!«
Lucy fiel ein Stein vom Herzen, auch wenn sie es nicht zeigen wollte. Sie hatte nämlich das ungute Gefühl, das Nicko in Bezug auf das Boot
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