Septimus Heap 04 - Queste
lebten. Silas, der gar nicht wissen wollte, was seine vier Söhne mit den Wendronhexen zu schaffen hatten, hatte sich stinkende Ziegenwolle in die Ohren gestopft – was ein großer Fehler war – und Schäfchen gezählt, um wieder einzuschlafen – was ein noch größerer Fehler war, denn die Schäfchen hatten sich in Ziegen verwandelt und zu singen begonnen. Erst nach einer Weile war ihm klar geworden, dass es keine Ziegen waren, die da sangen, sondern die Hexen, die am Lagerfeuer saßen. Wütend hatte er sich ein stinkendes Ziegenfell über den Kopf gezogen, um den Lärm zu dämpfen, und war endlich eingeschlafen.
Während er jetzt dalag und ermattet an die Decke des Tipis starrte, streckte eine junge Hexe den Kopf zur Türklappe herein und sagte: »Die Hexenmutter wünscht, dass Sie ihr beim Frühstück Gesellschaft leisten.«
Silas setzte sich mühsam auf, und die junge Hexe unterdrückte ein Kichern bei seinem Anblick. Sein strohblonder Lockenschopf sah aus wie ein Vogelnest – allerdings wie das eines großen, unordentlichen Vogels, der mit der Sauberkeit auf Kriegsfuß stand. Mitten aus dem Nest guckten zwei grüne Augen hervor und versuchten, die junge Hexe zu orten. »Äh ... danke. Bitte sag ihr, dass es mir eine Freude sein wird.« Silas fühlte sich elend, so als ob die ganze Nacht eine nasse Ziege auf seinem Kopf gesessen hätte. Doch eine Einladung der Hexenmutter hatte man jederzeit mit Respekt und Ehrfurcht zu behandeln.
Ein paar Minuten später saßen er und Maxie an einem lodernden Lagerfeuer. Ein strenger Geruch nach nassem Hund, vermischt mit einem Hauch von ungewaschener Wolle, erfüllte die Luft, als das Zauberergewand, das Silas trug, in der Wärme zu dampfen begann. Hinter ihm goss die Hexe, die ihn geweckt hatte, heißes Hexengebräu in eine Tasse, vermied es aber, allzu tief einzuatmen.
Silas gegenüber saß Morwenna, die Hexenmutter, eine wohlbeleibte Frau mit stechenden blauen Hexenaugen und langen grauen Haaren, die von einem grünen Lederstirnband zusammengehalten wurden. Morwenna trug das grüne Sommerkleid der Wendronhexen, und als Hexenmutter hatte sie dazu eine breite weiße Schärpe um ihre mehr als füllige Taille geschlungen.
Die junge Hexe reichte Silas die dampfende Tasse, und er nahm argwöhnisch einen Schluck. Das Gebräu schmeckte so scheußlich, wie er befürchtet hatte – doch es wärmte auch auf merkwürdige Weise. Morwenna beobachtete ihn mit einem liebevollen Lächeln, und so trank er langsam noch ein paar Schlucke. Er spürte, wie der Schmerz in seinen Gliedern nachließ und sich seine Lebensgeister selbst aus dem tiefen Loch zogen, in das sie in der Nacht gefallen waren.
Die junge Hexe brachte Silas eine Holzschale, die etwas enthielt, was auf den ersten Blick wie Haferbrei mit Raupen aussah. Silas zögerte, sagte sich dann aber, dass die grünen Flecken höchstwahrscheinlich von irgendwelchen fleischigen Kräutern herrührten, und schob einen Löffel voll in den Mund. Sein erster Eindruck hatte nicht getrogen. Es waren Raupen. Er schluckte mit einiger Mühe – denn man spuckt nie, aber auch gar nie etwas aus, was einem eine Hexe zum Essen angeboten hat. Verzweifelt beäugte er den gewaltigen Haufen Raupenbrei, den er noch zu bewältigen hatte, und fragte sich, ob er einen Teil nicht heimlich an Maxie verfüttern könnte. Er beschloss, das Wagnis lieber nicht einzugehen.
»Ich hoffe doch, es schmeckt dir?«, fragte Morwenna, der sein Mienenspiel nicht entgangen war.
»Oh ... ja ... es ist sehr ... äh ...«, Silas biss gerade auf eine besonders fette Raupe mit Beinen, »... knusprig.«
»Das freut mich. Sie sind eine Frühjahrsspezialität. Geben Kraft und verschaffen einen klaren Kopf. Ich hatte den Eindruck, so etwas könnte dir jetzt nicht schaden.«
Silas nickte, konnte aber nichts sagen, denn er hatte den Mund voller Raupen und bekam sie nicht runter. Einige grässliche Augenblicke angestrengten Würgens später sagte er sich, dass er jetzt ganz stark sein musste – er würde alle Raupen auf einen Haufen schieben und die Sache rasch hinter sich bringen. Er fasste sich ein Herz und schluckte kurz hintereinander zwei große Löffel Raupen hinunter. Tief erleichtert betrachtete er den restlichen Brei, der nun raupenfrei war, und nahm noch einen großen Schluck von dem Hexentrank, um die letzte widerspenstige Raupe, die in einer Zahnlücke steckte, hinunterzuspülen. In diesem Augenblick trat die junge Hexe pflichtbewusst vor und schöpfte ihm aus einer
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