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Septimus Heap 05 - Syren

Titel: Septimus Heap 05 - Syren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Sage
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jetzt auf sich gestellt.
    Rasch kratzte er mit dem Stiefelabsatz ein X in den Lehmboden. Während sein Gedankenschirm beruhigende Bilder von einem Nachmittag zeigte, den er beim Frühlingsfest der Tagundnachtgleiche mit Jenna und Beetle verbracht hatte, blickte er zu Syrah, die auf der gegenüberliegenden Seite stand. Sie drückte sich gegen die Wand und sah aus wie ein gehetztes Reh. Septimus konnte den Anblick nicht ertragen. Er sah weg und begann, das Innere des Turms in Augenschein zu nehmen. Er prägte sich alles gut ein, als mache er Hausaufgaben für Marcia.
    Die Innenwände des Kiekers waren mit weißem Gips verputzt. Sonnenlicht strömte durch die kleinen Fenster, die wie ein Band die Spitze umschlossen, und warf lange helle Streifen auf den gestampften Lehmfußboden, in dessen Mitte Septimus einen hellen, in Stein eingefassten Lichtkreis bemerkte. Das einzige Möbelstück war eine rostige Bibliotheksleiter mit Rollen. Sie war in einer Schiene eingehängt, die knapp unterhalb der Ausguckschlitze im Kreis herumführte. An der Spitze der Leiter war ein kleiner Metallsitz angebracht, und – ja, jetzt sah er sie – auf dem Sitz saß die blassblaue Gestalt einer Frau. Das musste der besitzergreifende Geist der Sirene sein.
    Extrem alte Geister können manchmal wie ein besitzergreifender Geist aussehen, besonders wenn sie die Lust am Geisterdasein verloren haben, wie es bei manchen nach vielen Tausend Jahren vorkommt, aber Septimus wusste, woran man einen besitzergreifenden von einem normalen Geist unterscheiden kann. Man muss warten, bis er sich bewegt – ein normaler Geist wird seine Gestalt behalten, ein besitzergreifender nicht. Septimus brauchte nicht lange zu warten. Die Gestalt dehnte sich zu einem langen Band aus eisblauen Teilchen, das sich wie ein kleiner Tornado zu drehen begann. Dann strömte sie aus dem Stuhl, flog drei Mal im Kreis an den Fenstern entlang, wobei sie immer schneller wurde, und tauchte schließlich in die Tiefe, direkt auf Syrah zu.
    Syrah warf Septimus einen ängstlichen Blick zu. Vertrau mir, formte sie mit den Lippen – und dann war sie nicht mehr zu sehen. Der blaue Strudel wirbelte um ihren Kopf und hüllte sie in ein blaues Glühen ein. Syrah wurde besessen.
    Septimus erschauderte. Er holte tief Luft und begann, bis hundert zu zählen. Marcia hatte einmal zu ihm gesagt, dass es ein furchtbarer Anblick sei, wenn ein Mensch von einem Geist besessen werde. Jetzt verstand er, warum – die neue Syrah war ein Zerrbild ihrer selbst. Pirouetten drehend wie ein tanzendes Kind, kam sie auf ihn zu – auf Zehenspitzen, mit den Händen winkend, ein hohles Lächeln im Gesicht. Septimus konnte kaum hinsehen. Sie erinnerte ihn an die lebensgroßen Marionetten, die er vor nicht allzu langer Zeit im Kleinen Theater in den Anwanden gesehen hatte. Er hatte sie zum Gruseln gefunden – und Marcia, die er in die Vorstellung mitgeschleppt hatte, auch. »Wie Gerippe an Fäden«, hatte sie gesagt.
    Syrahs Marionette war jetzt bei Septimus angekommen und begann, immer noch wirbelnd und hüpfend, zu sprechen, aber nicht mit ihrer eigenen Stimme. »Sie hat dich verraten, Septimus«, spottete die tiefe und volle Stimme der Sirene, während Syrah einen kleinen Spieluhrentanz vollführte. »Sie hat dich auf meinen Befehl hin hierhergebracht. Hat sie das nicht sehr schlau angestellt? Gutes Mädchen, ach, ich bin ein gutes Mädchen. Er wird seine Sache gut machen, Syrah, und er versteht mehr von Magie als du. Und wie ich es genießen werde, mit einer Jungenstimme zu singen – sie klingen viel reiner als Mädchenstimmen.«
    Mit einem Mal war Septimus überzeugt, dass ihn Syrah tatsächlich verraten hatte. Er sah ihr in die Augen, um darin die Wahrheit zu lesen, und schaute entsetzt wieder weg – sie waren mit einem milchigen weißen Film überzogen. In diesem Augenblick kam ihm ein Gedanke, sicher verborgen hinter seinem Gedankenschirm. Wenn Syrah ihn tatsächlich auf Befehl der Sirene in den Kieker gebracht hatte, warum hatte sie ihm dann verraten, wie er von hier entkommen konnte? Er warf einen Blick nach hinten, um festzustellen, ob der Eingang zum Turm wirklich verschwunden war. Er war verschwunden, aber das X war noch da.
    Syrah fing seinen panischen Blick auf. »Von hier gibt es kein Entrinnen«, sagte sie lachend. »Das hat sie dir verschwiegen.«
    Septimus machte sich ein paar Scheingedanken, die sich darum drehten, wie sehr er Syrah dafür hasste, was sie getan hatte, aber hinter dem Schirm

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