Septimus Heap 05 - Syren
erfüllte sein Herz und seine Seele mit einem Gefühl der Freude und Hoffnung, denn gleich, wenn er die Tür öffnete und die Sirene hereinließ, würde sein Leben vollkommen sein. Dies war alles, was er sich jemals gewünscht hatte. Traumverloren kehrte er zu der Tür zurück.
Während er nach der Öffnungsklappe griff, stiegen herrliche Bilder vor seinem geistigen Auge auf: Bilder von endlosen Tagen an sonnigen Stränden, an denen er genüsslich in warmen grünen Meeren schwamm, Bilder der Fröhlichkeit, Freude und Freundschaft. Er war von allen Menschen umgeben, die er liebte – sogar Marcia war da. Was allerdings etwas merkwürdig war, wie ihm plötzlich in den Sinn kam. Wollte er Marcia wirklich hier bei sich auf der Insel haben? Ein Bild von Marcia stieg vor ihm auf, wie sie ihn missbilligend ansah, und für eine kurze Sekunde verbannte es den Gesang der Sirene aus seinem Kopf.
Diese Sekunde genügte. Sich Bilder von Marcia in ihren grimmigsten Momenten vor seinem inneren Auge erzeugend – was leicht war, denn die Auswahl war groß –, kehrte Septimus flugs zu dem orangefarbenen Pfeil zurück und drückte fest darauf. Während ihm Marcia eine Gardinenpredigt hielt – Kommst du wieder zu spät, weil du dich auf dem Hof hinter dem Manuskriptorium herumgedrückt und mit Beetle dieses ekelhafte Zeug getrunken hast, wie heißt es noch mal – Blubberbrühe? Und falls du dir einbildest, du hättest das Recht, die Treppe in den Notfallbetrieb zu versetzen und all die fleißigen Zauberer bei der Arbeit stören, dann befindest du dich gewaltig im Irrtum –, machte die Kammer einen Ruck. Septimus rutschte der Magen wieder in die Kniekehlen, und er wusste, dass er aufwärtsfuhr.
Septimus verbrachte die Fahrt in Gesellschaft einer zornigen Marcia, die in Marcellus Pyes Haus gestiefelt kam und zu wissen verlangte, was er hier verloren habe, bis die Kammer schließlich zum Stehen kam. Er drückte auf die Klappe, die Tür fuhr auf, und, begleitet von einer Marcia, die sich über Feuerspeis Stubenreinheit oder, besser gesagt, über seine nicht vorhandene Stubenreinheit beklagte, rannte er los. Im Rennen hörte er die Stimme der Sirene, die von unten herauf schrie: »Ich werde dich suchen, Septimus, und ich werde dich finden ...«
Er flitzte die schmale Fluchttreppe hinauf, die in das Gestein der Klippe gehauen war, und schlüpfte durch eine Geheimtür in den Kieker. Das X, das er in den Lehmboden gekratzt hatte, war noch da. Er holte tief Luft und rannte direkt auf die scheinbar stabile Wand dahinter zu. Im nächsten Augenblick stand er im weichen Gras oben auf der Klippe und sog die frische warme Luft ein.
Syrah hatte die Wahrheit gesagt.
* 36 *
36. Oberkadett
S e ptimus rannte in Richtung Wald und fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis der Geist der Sirene die Fluchttreppe heraufwirbelte und die Verfolgung aufnahm. Sobald er in den Schatten der Bäume eingetaucht war, errichtete er einen einfachen Schutzschild – das erforderte nicht allzu viel Konzentration. Zusätzlich umgab er sich mit einem Lautlos- und Unsichtbarkeitszauber, dann machte er sich auf den Weg durch das Wäldchen. Er konnte nur hoffen, dass die Sirene nicht die Fähigkeit besaß, die verräterischen Anzeichen von Magie zu erkennen wie gewisse andere Wesen. Als er auf der anderen Seite des Waldes wieder herauskam, schlug er einen kürzeren und steileren Weg ein, der direkt zu den schützenden Dünen hinabführte.
Während er halb rennend, halb rutschend den Hang hinunterflitzte, ging ihm das Bild nicht aus dem Kopf, wie Syrah im Wasser gelegen hatte. Es erinnerte ihn an seine Zeit bei der Jungarmee, als man einmal einen Jungen an einer seichten Stelle des Flusses dem Tod überlassen hatte. Er musste an die Übungen im Nachtwald denken. Bedrängt von Erinnerungen, hastete Septimus durch die Dünen und erschrak, als er unerwartet auf Jenna und Beetle stieß – aber nicht halb so sehr wie sie.
»Iiiih!«, schrie Jenna und schlug wild um sich. »Beetle, Hilfe! Da ist etwas. Pack es, pack es – oh! Sep, du bist das. Was tust du denn hier?«
Septimus hatte schleunigst seinen Unsichtbarkeitszauber aufgehoben, aber erst nachdem er von Beetle einen Schlag auf den Arm bekommen hatte. »Autsch!«, schrie er.
»Sep!«, rief Beetle, und als er sah, was Septimus für ein Gesicht machte, fragte er besorgt: »He, was ist denn los – ist... ist was mit Feuerspei?«
Septimus schüttelte den Kopf. Dank Syrah brauchte er sich wenigstens
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