Septimus Heap 05 - Syren
niedrig, aber die Plünderer war für das Fischen in Küstennähe ausgelegt. Sie hatte einen geringen Tiefgang und konnte gefahrlos seichte Stellen befahren, die andere Boote meiden mussten. Während die Plünderer die Nordspitze der Sterninsel umrundete, warf Jakey einen verstohlenen Blick über das Wasser, um festzustellen, ob das Feuer am Strand noch zu erkennen war, doch er sah nur eine tief hängende Nebeldecke – und die drei Masten des Beuteschiffs, die aus ihr herausragten.
Das mit der Muskelkraft der Crowes angetriebene Boot kroch weiter. Jakey starrte auf die Rücken der Zwillinge, die ihre Ruder wie menschliche Automaten ins Wasser tauchten. Er sah seinen tyrannischen Vater im Bug, die scharfe Nase im Wind, die Zähne gefletscht wie ein wilder Hund, und er fragte sich, was für eine Schurkerei er nun wieder im Sinn hatte. Jakey dachte an die Gruppe von Freunden, die er beim Lagerfeuer beobachtet hatte, und plötzlich wurde ihm bewusst, dass er sich genau das mehr als alles andere wünschte – mit Freunden an einem Feuer sitzen. Sein Leben musste nicht so sein, wie es war. Jakey Fry wollte frei sein.
* 40 *
40. Gestrandet
A u f der Cerys kam Nicko mitten im Albtraum eines jeden Seemanns wieder zur Besinnung. Ungläubig starrte er Snorri an.
»Was?«, stieß er hervor. »Was habe ich getan?«
»Das Schiff auf Grund gesetzt«, antwortete Snorri knapp. »Du wolltest nicht auf mich hören. Du ... du warst wie von allen guten Geistern verlassen.«
»Auf Grund gesetzt? Nein ... oh, nein. Nein!« Nicko rannte zur Reling und blickte nach unten. Er sah nur Nebelschwaden, die sich über der Wasseroberfläche kringelten, aber er wusste, dass Snorri recht hatte. Er konnte es spüren – das Wasser unter dem Kiel bewegte sich nicht. Die schöne Cerys hatte ihr Element verlassen und war jetzt nur noch ein großer träger Haufen Holz.
Unter Deck herrschte helle Aufregung. Die gesamte Besatzung war wach, schwang sich aus den Kojen und stürzte die Niedergänge herauf. Das Poltern der Schritte erfüllte Nicko mit Schrecken, und im nächsten Moment stand Milo vor ihm, groß, zerzaust, eine Decke über sein Nachthemd aus Seidenbrokat geworfen.
»Was ...«, brüllte Milo. »Was hast du getan?«
Nicko schüttelte wortlos den Kopf. Er konnte Milo kaum in die Augen sehen. »Ich ... ich weiß es nicht«, sagte er verzweifelt. »Ich weiß es einfach nicht.«
Der erste Offizier erschien an Deck und beantwortete die Frage umgehend. »Er hat uns auf Grund gesetzt, Sir.« Ein unausgesprochenes Ich hab ’s Ihnen ja gleich gesagt lag in der Luft.
Snorri wusste, dass Nicko nicht einmal den Versuch unternehmen würde, sich zur Wehr zu setzen. »Der Leuchtturm ist schuld«, sagte sie. »Er ist jetzt woanders.«
Der erste Offizier lachte spöttisch.
»Aber er ist jetzt wirklich woanders«, beharrte Snorri. »Er ist jetzt dort, sehen Sie doch.« Sie deutete auf die Zinne, die wie ein riesiger schwarzer Finger drohend aus dem Nebel ragte und von deren Spitze ein grelles Licht strahlte.
»Ha!«, höhnte der erste Offizier. »Irgendein Idiot hat auf dem Felsen ein Feuer gemacht. Das kommt ständig vor. Deshalb muss man nicht gleich mit dem Schiff darauf zusteuern.«
»Das Schiff ... äh ... ist nur auf eine Sandbank gelaufen«, sagte Snorri stockend.
»Du kennst dich damit wohl aus, was?«, entgegnete der erste Offizier verächtlich.
»Ich weiß, wie sich eine Sandbank unter einem Boot anfühlt, und ich weiß, wie sich Felsen anfühlen«, erwiderte Snorri. »Hier fühlt es sich nach Sandbank an.«
Der erste Offizier wusste nicht recht, was er davon halten sollte. Er schüttelte den Kopf.
»Bei der nächsten Flut«, setzte Snorri hinzu, »wird sie, glaube ich, freikommen.«
»Das hängt vom Schaden ab«, knurrte der erste Offizier. »Sand verbirgt viele Sünden – und viele Felsen. Die schlimmsten Felsen findet man unter Sand. Wasser schleift sie rund. Sand nicht. Im Sand bleiben sie scharf. Manche rasierklingenscharf. Gehen durch den Rumpf wie ein heißes Messer durch Butter.« Er wandte sich von Snorri ab und Milo zu. »Erlauben Sie mir, einen Mann runterzuschicken, Sir. Um den Schaden zu inspizieren.«
»Erlaubnis erteilt«, sagte Milo.
»Ich werde gehen«, sagte Nicko, wobei er einen flehenden Ton, so gut es ging, vermied. »Bitte. Ich möchte helfen.«
Milo sah ihn kühl an. »Nein«, fertigte er ihn kurz ab. »Jem kann gehen. Jem hat mein Vertrauen.« Er fuhr auf dem Absatz herum und schritt langsam zum
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