Septimus Heap 05 - Syren
aufzulösen. Sie kam mit einem dampfenden Becher zu Simon zurück. »Trink das«, sagte sie, »dann erzähle ich es dir.«
Immer noch von gelegentlichen Kälteschauern geschüttelt, nippte Simon an der heißen Schokolade.
Maureen setzte sich auf einen kleinen Hocker neben dem Ofen. »Es ist schon merkwürdig«, begann sie, »aber irgendwie glauben die Leute, meine Ladentheke sei eine Art Schallschutzwand und man könne nicht hören, was auf der anderen Seite gesprochen wird. So bekomme ich beim Pastetenverkaufen vieles zu hören, was nicht für meine Ohren bestimmt ist.«
»Und was hast du über die Plünderer gehört?«, fragte Simon.
»Na ja, es betrifft eher den Skipper ...«
»Was ist mit dem Skipper?«
»Er hat einen üblen Ruf. Hier kennt man ihn noch aus der Zeit, als er einfach nur Joe Grub aus einer Strandräuberfamilie oben an der Küste war. Heute gibt es dort mehr Leuchttürme, und die Strandräuberei ist nicht mehr so einfach. Und das ist ein Segen, wenn du mich fragst. Es ist doch schrecklich, ein Schiff auf ein Riff und ins Verderben zu locken, einfach entsetzlich. Und weil mit der Strandräuberei nichts mehr zu verdienen war, heuerte Grub auf einem von diesen Piratenschiffen an, die gelegentlich hier aufkreuzen, und eines Tages war er wieder da, mit einem Sack voll Gold und einem schicken neuen Namen. Manche behaupten, er hätte beides von einem bedauernswerten Gentleman, den er über Bord geworfen hat. Andere wiederum sagen ...« Maureen hielt inne und wollte nicht fortfahren.
»Andere sagen was?«, fragte Simon.
Maureen schüttelte den Kopf.
»Bitte, du musst es mir sagen«, beharrte Simon. »Wenn ich Lucy helfen soll, muss ich möglichst alles wissen. Bitte.«
Maureen sträubte sich immer noch, denn es brachte angeblich Unglück, über solche Dinge zu reden.
»Na ja ... andere sagen, er hätte seinen Namen geändert, weil er einem neuen Herrn dient. Sie sagen, der neue Herr des Skippers sei ein alter Geist aus der Burg und dass er das viele Geld von ihm bekommen hat. Aber stell dir vor, für einen Geist zu arbeiten – das ist doch gruselig, oder?« Maureen erschauderte. »Ich für meinen Teil glaube kein Wort davon«, schob sie schnell nach.
Simon schon. »Ein Ghul-Gimpel«, murmelte er.
»Ein was?«, fragte Maureen, erhob sich und schob noch einen Holzscheit in das Feuer unter dem Ofen. Von all dem Gerede über Geister wurde ihr kalt.
Simon zuckte mit den Schultern. »Ein Ghul-Gimpel, ein Phantomdiener, ein Gespensterhüter – wie immer du es nennen willst. Die korrekte Bezeichnung ist, glaube ich, Geistgefolgsmann. Das ist jemand, der einem Geist seine Dienste anbietet.«
»Du liebe Zeit!«, stieß Maureen hervor und klappte die Ofentür zu. »Warum tut jemand so etwas?«
»Des Goldes wegen«, erwiderte Simon in Erinnerung an die Zeit, als ihm Tertius Fume ein ähnliches Angebot unterbreitet hatte. »Einhundertneunundsechzig Goldstücke, um genau zu sein. Aber am Ende bereuen sie es alle. Es gibt kein Entrinnen, wenn sie das Gold erst einmal genommen haben. Sie finden bis zum Ende ihrer Tage keinen Frieden mehr.«
»Du meine Güte«, sagte Maureen, »was die Menschen nicht alles tun.«
»Ja«, stimmte Simon zu. »Äh ... Maureen ...«
»Ja?«
»Äh ... wie lautet der neue Name des Skippers?«
»Oh, es ist der verrückteste Name, den man sich nur vorstellen kann. Theodophilus Fortitude Fry. Ist doch zum Piepen, wenn man bedenkt, dass er früher einfach nur Joe Grub hieß.« Maureen kicherte.
Simon stimmte nicht in ihr Lachen ein. Er fand den Namensfimmel der Schwarzkünstler gar nicht lustig.
»T.F.F.«, murmelte er. »Dieselben Initialen wie der alte Fume. Ich frage mich ...« Er stöhnte. »Ach, Lucy, was hast du nur getan?«
Maureen überlegte, was sie Aufmunterndes sagen konnte, doch alles, was ihr einfiel, war: »Aber Jakey, sein Sohn ..., das ist ein guter Junge.«
Simon stellte seinen leeren Becher weg und starrte düster auf seine nackten Füße, die unter den Decken hervorlugten. Er sagte nichts.
Nach ein paar Minuten murmelte Maureen nicht sehr überzeugt: »Weißt du, Simon, Lucy ist ein kluges Mädchen. Und tapfer obendrein. Ihr wird schon nichts passieren.«
»Nichts passieren?«, fragte Simon ungläubig. »Auf einem Schiff mit so einem Kapitän? Wie soll ihr da nichts passieren?«
Maureen wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Sie stand leise auf und fing an, auf einer der breiten Küchenbänke an der Wand für Simon ein Bett herzurichten. Als sie
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