Septimus Heap 05 - Syren
Umschlagplatz des Handels geworden, und nicht nur für die Nordhändler, sondern auch für Kaufleute, die von weiter herkamen. Noch bevor das Eis des Winters schmolz, schleppten Pelzhändler, die tief im Innern der Eislande ein abgeschiedenes Leben führten, ihre langen, schmalen Boote auf zugefrorenen Bachläufen, die sich durch die Wälder schlängelten, zu einem der breiten, frei fließenden Kanäle, die zum Handelsposten führten. Groß gewachsene, hell gekleidete Händler aus den Bergen der Trockenwüsten kamen mit ihren prächtig bemalten Schiffen übers Meer, und gelegentlich sah man sogar Kaufleute aus Ländern jenseits der Östlichen Schneeebenen mit ihren auffallend hohen, spitzen Hüten und ihrer abgehackten Sprechweise, die aus dem allgemeinen Stimmengewirr hervorstach.
Während Feuerspei weiterflog, hielt Septimus nach Hafen Nummer Drei Ausschau. Er war einer der kleineren Häfen ganz am Ende des Handelspostens, unmittelbar hinter dem breitesten Kanal von allen (der, wie es hieß, bis ans andere Ende der Welt führte). Hafen Nummer Drei war an seiner ungewöhnlichen Hufeisenform leicht zu erkennen. Er war kein Tiefwasserhafen, sondern wurde von einheimischen Fischern benutzt, die ihre kleinen Boote an Tauen festmachten, die über den bei Ebbe frei liegenden Sand gespannt waren.
Bald hatte Feuerspei den breiten, windgepeitschten Kanal überflogen, und Septimus erblickte unter sich die ersehnte Hufeisenform. Auf der Suche nach einem Landeplatz begann Feuerspei zu kreisen, aber der Kai war mit Fischkisten und Knäueln von Netzen übersät. Es gab keinen freien Fleck, der für eine Drachenlandung groß genug war, und kein Drache landet gern in der Nähe von Netzen. Grund dafür ist eine tief verwurzelte Angst, mit den Klauen in den Maschen hängen zu bleiben, eine Angst, die auf die längst verflossene Zeit der großen Drachenjagd zurückgeht.
Die Ebbe hatte eingesetzt, und in den Schatten am Rand des Hafens entdeckte Septimus einen freien Sandstreifen, über den keine Leinen gespannt waren. Er lenkte Feuerspei ein paar Hundert Meter aufs Meer hinaus und dann im Tiefflug über dem Wasser wieder zurück. So konnte der Drache elegant nach unten gleiten, bis er schließlich, begleitet von einem dumpfen Schlag und nach allen Seiten Sand verspritzend, aufsetzte. Schnuppernd reckte er die Nase in die Luft und legte dann müde den Kopf in den feuchten Sand, sodass Septimus absteigen und wieder den Fuß auf festes Land setzen konnte. Septimus wippte auf den Füßen, um wieder ein Gefühl in den tauben Zehen zu bekommen. Dann ging er, noch etwas wackelig, zum Kopf des Drachen und rieb ihm die samtige, eiskalte Nase.
»Danke, Feuerspei«, flüsterte er. »Du bist der Beste.«
Der Drache schniefte, und aus dem Dunkel auf dem Kai über ihnen ertönte eine Frauenstimme. »Lass das. Das gehört sich nicht.«
Eine Männerstimme protestierte. »Was soll ich lassen? Ich habe doch gar nichts getan.«
»Ja, ja, das sagst du immer. Aber hier draußen kannst du es nicht auf den Hund schieben.«
Das streitende Paar entfernte sich, und noch bevor es außer Hörweite war, war Feuerspei eingeschlafen. Septimus blickte aufs Wasser. Es war Ebbe, und nach den Hochwassermarken an der Hafenmauer zu urteilen, konnte der Drache hier mindestens sechs Stunden gefahrlos schlafen. Septimus wuchtete Marcias Satteltaschen herunter, entnahm ihnen vier Brathähnchen und eine Tüte Äpfel und legte alles neben die Nase des Drachen für den Fall, dass er später aufwachte und Lust auf einen kleinen Mitternachtsimbiss bekam.
»Warte hier, Feuerspei«, flüsterte Septimus. »Ich bin bald zurück.« Feuerspei öffnete ein trübes Auge, blinzelte und schlummerte wieder ein.
Septimus schulterte die schweren Satteltaschen und stapfte müde die Hafentreppe hinauf. Jetzt musste er nur Nickos Fischerhütte finden.
* 14 *
14. Der Handelsposten
O b en auf der Treppe angekommen, schaute sich Septimus um. Das streitende Ehepaar war fort und der Kai menschenleer. Er lag im Halbdunkel und wurde nur von einer einzigen großen Fackel beleuchtet, die am anderen Ende des Kais vor einer Reihe sehr hoher, schmaler Holzhütten auf einem Pfahl steckte. Trotz der Windböen und des immer wieder einsetzenden leichten Nieselregens brannte die Flamme der Fackel zuverlässig hinter einem dicken Glasschirm und warf einen matten gelben Lichtkegel auf die Pflastersteine. Septimus erinnerte sich, dass sie den Eingang zu der Gasse markierte, in die Nicko sie zwei
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