Septimus Heap 06 - Darke
und sog die scharfe, frische Morgenluft ein, die leicht nach Schnee und Flussschlamm roch. Glückliche Erinnerungen an gemeinsame Mittwinterfeste mit Silas und den Kindern stiegen in ihr hoch – zusammen mit der Erinnerung an einen sehr viel weniger glücklichen Tag vor vierzehn Jahren. Sie drehte sich um und blickte zu der schlafenden Gestalt ihres jüngsten Sohns hinüber. Was auch kommen mochte, dachte sie, jetzt hatte er endlich eine Nacht in dem Zimmer verbracht, in dem er hätte aufwachsen sollen.
Sie beobachtete, wie die fahle Wintersonne hinter den fernen Hügeln heraufstieg und durch die kahlen Äste der Bäume am jenseitigen Flussufer blinzelte. Sie seufzte. Es war schön, das Tageslicht wiederzusehen. Aber wer wusste, was der Tag bringen würde?
Er brachte neuerlichen Streit zwischen Septimus und Simon.
Septimus und Marcellus hatten sich in eine ruhige Ecke neben den Bücherregalen zurückgezogen und blätterten auf der Suche nach etwas Brauchbarem über Dunkelfelder in alten Zauberbüchern. Doch sie fanden nichts. Die meisten Bände aus Silas’ Sammlung waren gewöhnliche Lehrbücher oder billige Ausgaben älterer Werke, in denen Seiten fehlten – immer die Seiten, die möglicherweise interessant hätten sein können.
Septimus jedoch hatte soeben zwischen den Seiten einer mit Tintenflecken verunzierten Ausgabe von Magie III: Probleme für Fortgeschrittene eine kleine Broschüre gefunden, als Simon herüberkam, um nachsehen, ob seine alten Lieblingsbücher noch im Regal standen. Sein Blick fiel auf den Titel der Broschüre:
Die bösen Kräfte des Rings mit dem Doppelgesicht.
Ein gefährliches und mit schweren Makeln behaftetes Utensil, gewöhnlich von Schwarzkünstlern und ihren Gefolgsleuten verwendet, las Septimus. Nach alter Sitte am linken Daumen getragen. Einmal angesteckt, lässt sich der Ring nur in eine Richtung bewegen und kann daher nur abgenommen werden, indem er über die Daumenwurzel gestreift wird. Die beiden Gesichter stellen angeblich die beiden Zauberer dar, die ihn erschaffen haben. Beide wollten den Ring in ihren alleinigen Besitz bringen und führten darum einen Kampf auf Leben und Tod (siehe dazu die Abhandlung des Verfassers über die Entstehung des bodenlosen Strudels am Bitterbach, für nur sechs Groschen in Wywalds Hexenbuchladen erhältlich). Danach wanderte der Ring von Zauberer zu Zauberer und richtete Chaos und Verwüstung an. Angeblich war er maßgeblich beteiligt an der Schlammplage in Port, den verheerenden Angriffen der Nachtflussschlangen in den Anwanden und höchstwahrscheinlich auch an der Entstehung der Dunkelgrube, über der später die städtische Müllkippe eingerichtet wurde. Die Kräfte des Rings mit dem Doppelgesicht nehmen im Lauf der Zeit immer mehr zu – jeder Träger vereint in sich die schwarzmagischen Kräfte aller vorausgegangenen Träger. Diese Kräfte erreichen ihren Höhepunkt jedoch erst, wenn der Ring dreizehn Monate lang getragen worden ist. Viele behaupten, dass der Ring mit dem Doppelgesicht noch existiert, doch der Verfasser teilt diese Auffassung nicht. Da man seit vielen Jahrhunderten nichts mehr von ihm gehört hat, muss man davon ausgehen, dass er unwiederbringlich verloren gegangen ist.
»Interessant«, sagte Simon, der über Septimus’ Schulter hinweg mitgelesen hatte. »Aber nicht ganz zutreffend.«
Septimus’ Antwort war kurz und unmissverständlich. »Hau ab«, sagte er.
»Ähem«, hüstelte Marcellus.
»Ich versuche nur zu helfen«, sagte Simon. »Wir wollen doch alle herausfinden, wie wir dieses Dunkelfeld loswerden können.«
»Wir schon«, entgegnete Septimus und warf Marcellus kurz einen vielsagenden Blick zu. »Bei dir bin ich mir da nicht so sicher.«
Simon seufzte. »So hör doch, ich mache solche Sachen nicht mehr. Ganz ehrlich.«
»Ha!«, schnaubte Septimus verächtlich.
»Na, na, Lehrling«, sagte Marcellus. »Denk daran, was du deiner Mutter versprochen hast.« Septimus hörte nicht hin.
»Du willst es einfach nicht kapieren, wie?«, rief Simon verzweifelt. »Ich habe einen Fehler gemacht. Gut, es war ein wirklich schlimmer Fehler, aber ich gebe mir alle Mühe, ihn wieder gutzumachen. Ich weiß nicht, was ich sonst noch tun kann. Gerade jetzt könnte ich wirklich helfen. Ich kenne mich mit diesen ... Dingen besser aus als ihr beide zusammen.«
»Darauf möchte ich wetten«, blaffte Septimus.
»Lehrling, ich finde, du solltest dich beruhigen und ...«
Simon explodierte. »Du bildest dir ein, alles zu
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