Septimus Heap 06 - Darke
hoppelte das Gespenst wieder den Korridor hinunter.
* 38 *
38. Der Sautrog
D i rekt nachdem Stanley gegangen war, hatte Nicko sich aufgemacht, um Jenna und ihre Gefährten aus den Anwanden zu retten. Eigentlich hatte er nicht die Porter Fähre nehmen wollen, doch er war überstimmt worden – sogar Jannit hatte mit Rupert und Maggie gegen ihn gestimmt. Sie hatte zu bedenken gegeben, dass die Heaps wahrscheinlich nicht die Einzigen seien, die gerettet werden müssten, und dass sie deshalb das größte Boot nehmen sollten, das zur Hand war. Und die Auswahl war nicht üppig. Es war tiefster Winter, und fast alle von Jannits Booten lagen aufgebockt auf dem Trockenen. Nicko hatte widerstrebend zugestimmt, seine Entscheidung aber schon nach kurzer Zeit bereut. Die Porter Fähre – oder der Sautrog, wie er sie bald nur noch nannte – machte nichts als Ärger.
Von Anfang kann kamen sie nur mühsam voran. Sie mussten den weiten Weg außen herum fahren, weil der Burggraben hinter der Werft für die Fähre nicht befahrbar war. Hinzu kam, dass sie Gegenwind hatten und das lange, schwerfällige Boot, das im engen Burggraben nicht richtig segeln konnte, gestakt werden musste. Und das bedeutete, dass sich Rupert und Nicko auf die beiden Seiten stellen und das Boot mit langen Stangen durchs Wasser schieben mussten. Das Fortkommen wurde dadurch etwas erleichtert, dass Ebbe herrschte und sie mit dem Fluss des Wassers fuhren. Dennoch ging es nur quälend langsam voran, sodass sie viel Zeit hatten, auf die verdunkelte Burg zu starren.
»Es ist, als ob alle ... fort wären«, raunte Maggie Rupert zu und vermied das Wort »tot«, das ihr auf der Zunge lag. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie jemand, der jetzt in der Burg gefangen war, überleben sollte, und dachte, dass Rupert und sie nach Port fliehen sollten. Je eher, desto besser.
Nicko, der das Boot mit aller Kraft durchs Wasser trieb und Zentimeter für Zentimeter in Richtung Rabenstein beförderte, sehnte den Augenblick herbei, da sie endlich den breiteren Fluss erreichen würden und Wind die Segel füllen könnte. Und dann, kurz vor der Stelle, wo der Burggraben in den Fluss mündete, liefen sie auf die Mauschel auf, eine berüchtigte Schlammbank an der Einfahrt zum Graben. Nicko konnte es nicht fassen.
Trotz verzweifelter Bemühungen mit den langen Stangen, die eigens dafür gedacht waren, das Boot von einer Schlammbank zu schieben, gelang es ihnen nicht, den »blöden Sautrog«, wie Nicko sich ausdrückte, von der Stelle zu bewegen. Sie saßen fest.
Maggie war das Missgeschick fürchterlich peinlich. Ein Skipper, der sein Boot auf Grund setzte – das hing einem ein Leben lang nach. Aber wenigstens war das Boot nicht voller Passagiere und Tiere, mit denen sie sechs endlose Stunden ausharren müsste, ohne jede Möglichkeit, ihrem Gejammer, Gebell und Gebrüll zu entkommen. Mit etwas Glück würde niemand davon erfahren. Und Porter Fähren waren so gebaut, dass sie auf Schlamm aufsitzen konnten, ohne Schaden zu nehmen.
Für Nicko und Rupert hingegen war der Schaden groß. Sie starrten untröstlich in das schlammige Wasser, denn sie wussten, das jede Minute, die sie hier festsaßen, eine weitere Minute der Gefahr für Jenna, Sarah, Septimus und Lucy bedeutete. (An Marcellus dachten sie nicht, und ob Simon in Gefahr war, kümmerte keinen.) Auch wenn sie es nicht aussprachen: Sie hatten keine Ahnung, ob die anderen überhaupt noch lebten. Ihnen blieb nur die Hoffnung. Und die schwand in dem Maße, wie die Ebbe fortschritt.
Und da sie nichts tun konnten, saßen sie da, starrten zur Burg hinüber und versuchten, nicht darüber nachzudenken, was das wohl für eine Kreatur sein mochte, die dieses schaurige Brüllen von sich gab, das von Zeit zu Zeit hinter der Burgmauer hervordröhnte und ihnen die Haare zu Berge stehen ließ. Immerhin konnten sie von dort, wo sie gestrandet waren, auch das indigoblaue und lila Leuchten sehen, bei dem es sich, wie Nicko Rupert erklärte, um einen Schutzschild des Zaubererturms handeln musste.
Um Mitternacht setzte unten in Port die Flut ein. Salzwasser kroch langsam in die leeren Rinnen im Sand, strömte in die nächtlich verschlafenen Häfen und bahnte sich wieder einen Weg flussaufwärts. Gegen drei Uhr morgens ging ein Ruck durch die Porter Fähre. Begleitet von einem weiteren grausigen Brüllen aus der Burg, griffen Nicko und Rupert wieder zu den Stangen und stakten mit aller Kraft, denn sie wussten, dass sie diesmal freikommen
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