Septimus Heap 06 - Darke
bin ich es. Wie lautet die Nachricht?«
Stanley holte tief Luft. »Könnten Sie bitte zu Nicko gehen – Nicko Heap, auf Jannits Bootswerft. Sagen Sie ihm, was hier geschieht. Sagen Sie ihm, wo wir sind. Bitte.«
Nicko erbleichte. »Wer schickt sie?«
Stanley setzte sich auf einen Papierstapel. »Hören Sie, Nachrichten dieser Art würde ich nicht für jeden befördern – schon gar nicht in der gegenwärtigen ... äh ... Lage. Allerdings habe ich den Umstand mitzuberücksichtigen, dass ich bis zu einem gewissen Grad nicht nur Bote bin, sondern in meiner Eigenschaft als persönlicher Vertreter der ... uff!«
Nickos Finger bohrte sich in das pralle Bäuchlein der Ratte. »Autsch! Das tut weh«, protestierte Stanley. »Hören Sie, es besteht kein Grund, gewalttätig zu werden. Ich bin aus reiner Herzensgüte hierhergekommen.«
Nicko beugte sich über den Tisch und sah der Ratte fest in die Augen. »Stanley«, sagte er, »wenn Sie mir nicht augenblicklich sagen, wer die Nachricht schickt, werde ich Sie eigenhändig erwürgen. Verstanden?«
»Ja. Alles klar. Hab verstanden.«
»Also, wer schickt sie?«
»Die Prinzessin.«
»Jenna!«
»Ja. Prinzessin Jenna.«
Nicko blickte in die Runde. Der Schein der einzigen Kerze auf dem Tisch warf flüchtige Schatten auf die sorgenvollen Gesichter seiner Gefährten. Ein paar Minuten lang hatten Stanleys Mätzchen sie von dem, was da draußen geschah, ablenken können. Nun aber holten sie die Sorgen um ihre Angehörigen und Freunde drüben in der Burg wieder ein.
»Gut«, sagte Nicko langsam. »Schießen Sie los. Wo ist Jenna? Wer ist ›wir‹? Sind sie in Sicherheit? Wann hat sie die Nachricht abgeschickt? Wie sind Sie ...«
Nun war es an Stanley, Nicko zu unterbrechen. »Hören Sie«, sagte er matt. »Es war ein langer Tag. Ich habe viele hässliche Dinge gesehen. Ich werde Ihnen alles erzählen, aber eine Tasse Tee und ein Keks vorneweg würden Wunder wirken.«
Maggie wollte aufstehen, doch Rupert hielt sie zurück. »Du hast auch einen langen Tag gehabt«, sagte er. »Ich mache das.«
Es wurde still im Raum, nur das leise Zischen des kleinen Ofens war zu hören – und dann plötzlich ein markerschütterndes Brüllen draußen in der Dunkelheit.
* 37 *
37. Brüder
D i e Nacht schritt weiter voran, und die Menschen in dem Zimmer hinter der großen roten Tür schliefen unruhig auf der kunterbunten Ansammlung von Kissen und Teppichen. Zweimal wurden sie unsanft von Donner geweckt, der nicht nur nach der gewitterschwarzen Farbe seines Fells benannt war, doch nach einigen Protesten und ausgiebigem Luftfächeln schlummerten alle bald wieder ein.
Jenna hatte wieder ihr altes Schrankbett in Besitz genommen, in dem noch die kratzigen, fadenscheinigen Decken aus ihrer Kindheit lagen. Mit den feinen Laken und weichen Pelzen, mit denen ihr Himmelbett im Palast ausgestattet war, konnten sie sich nicht messen, doch Jenna liebte ihre alten Decken und ihr Schrankbett noch genauso wie früher. Sie kniete sich auf die Matratze und spähte ein paar Minuten lang durch das kleine Fenster, blickte hinauf zu den Sternen und hinunter zum Fluss, so wie sie es immer vor dem Einschlafen getan hatte. Da aber Dunkelmond herrschte – schläfrig erinnerte sie sich, wie ihr Tante Zelda einmal des Nachts in den Marram-Marschen erklärt hatte, was das bedeutete – und zudem dicke Schneewolken die meisten Sterne verdeckten, konnte sie nicht viel erkennen. In ihrem Schrank war es kälter, als sie es in Erinnerung hatte, doch bald war auch sie eingeschlafen, zusammengerollt, da ihr das Bett zu kurz geworden war, und zugedeckt mit den kratzigen Decken, ihrem feinen pelzgefütterten Prinzessinnenmantel und ihrem neu erworbenen Hexenmantel. Es war eine seltsame Kombination, aber sie hielt warm.
Septimus und Marcellus bewachten die ganze Nacht hindurch abwechselnd die Tür – zwei Stunden Wache, zwei Stunden Schlaf. Als sich gegen vier Uhr morgens der schwarze Nebel die Hin-und-Zurück-Straße herunterwälzte und gegen die große rote Tür drückte, war gerade Septimus an der Reihe. Er weckte Marcellus, und wie auf heißen Kohlen sitzend, beobachteten sie zusammen die Tür, die ihre Angeln fester anzog. Endlose Minuten verstrichen, doch das Dunkelfeld kam nicht herein.
Dies lag nicht nur an Septimus’ Zauber, sondern auch an der großen roten Tür selbst. Benjamin Heap hatte sie nämlich mit eigenen magischen Schutzschirmen ausgestattet, bevor er sie seinem Sohn Silas schenkte. Auf diese
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