Septimus Heap 06 - Darke
Drinnen suchte Sarah fieberhaft nach Ethel.
»Ich kann sie doch nicht im Stich lassen«, rief Sarah zurück, warf einen Haufen Wäsche vom Sofa und pfefferte die Kissen auf den Boden. »Sie versteckt sich, weil sie sich fürchtet.«
»Sarah, komm jetzt raus!«
Zu Hildegards Entsetzen kletterte Silas durch das offene Fenster wieder hinein. Maxie wollte ihm nach, doch Hildegard hielt den Wolfshund fest.
»Mr. Heap!«, rief sie durchs Fenster. »Kommen Sie zurück, bitte! Nicht, Maxie. Platz!«
Drinnen zerrte Silas die starrköpfige Sarah zum Fenster. »Sarah«, rief er, »Ente hin oder her, es wird höchste Zeit. Komm.«
Sarah unternahm einen letzten Versuch. »Ethel, Liebes«, rief sie. »Ethel, wo bist du? Komm zu Mami!«
Der verzweifelte Silas bugsierte sie aus dem Fenster. »Ethel ist eine Ente, Sarah, und du bist nicht ihre Mami. Du hast acht Kinder, deren Mami du bist und die dich alle mehr brauchen als diese Ente. Jetzt hinaus mit dir!«
Zur großen Erleichterung Hildegards standen Silas und Sarah im nächsten Augenblick neben ihr. Plötzlich begann die Kerze im Zimmer neben Sarahs Salon zu flackern und erlosch. Rasch fasste Hildegard nach oben, um das Schiebefenster zu schließen.
»Quak!« Ein Haufen alter Vorhänge neben der Tür geriet in Bewegung, und ein gelber Schnabel kam darunter zum Vorschein.
»Ethel!«
Weder Silas, der abgelenkt war, weil am anderen Ende des Palastes plötzlich Jenna um die Ecke bog, noch Hildegard, die gerade das Fenster herunterzog, reagierten schnell genug, um Sarah daran zu hindern, wieder hineinzuspringen. Allerdings reagierte Hildegard schnell genug, um Silas davon abzuhalten, Sarah nachzuklettern.
»Nichts da, Mr. Heap, Sie bleiben hier«, rief sie bestimmt und hielt ihn sicherheitshalber am Ärmel fest. »Sarah, bitte kommen Sie zurück, oh nein ...«
Sarah zog Ethel gerade unter den Vorhängen vor, da flog krachend die Tür auf. Eine schwarze Welle wälzte sich in den Raum. Den spitzen Entsetzensschrei, den Sarah ausstieß, sollte Jenna nie wieder vergessen. Die Ente an die Brust gedrückt, entschwand Sarah, den Mund noch zum Schrei geöffnet, dem Blick der anderen. Die Dunkelheit wirbelte weiter in Richtung Fenster und ließ Hildegard keine andere Wahl. Sie knallte das Fenster zu und belegte es rasch mit einem Abwehrzauber gegen Schwarzmagie, um sicherzustellen, dass nichts herauskonnte.
»Sarah!«, schrie Silas und trommelte gegen das Fenster. »Saraaaaaah!«
Jenna stieß atemlos zu ihnen. »Mom!«, keuchte sie. »Wo ist Mom?«
Zu keinem Wort fähig, deutete Silas in den Salon.
»Hol sie heraus, Dad«, schrie Jenna. »Hol sie heraus!«
Silas schüttelte den Kopf. »Es ist zu spät. Zu spät...« Noch während er sprach, begann die Kerze auf dem kleinen Tisch hinter dem Fenster zu flackern und ging aus. In Sarahs Salon wurde es dunkel.
Auf dem Fußweg vor dem Fenster herrschte fassungslose Stille. Hildegard brach sie schließlich nur widerstrebend. »Ich glaube«, sagte sie leise, »ich glaube, wir sollten jetzt gehen. Wir können nichts mehr tun.«
»Ich lasse Mom nicht im Stich«, stieß Jenna trotzig hervor.
»Prinzessin Jenna«, sagte Hildegard sanft, »es tut mir sehr leid, aber wir können jetzt nichts für sie tun. Marcia hat angeordnet, dass wir uns hinter den Kordon zurückziehen sollen.«
»Ist mir egal, was Marcia angeordnet hat«, gab Jenna barsch zurück. »Ich lasse Mom nicht im Stich.«
Silas legte den Arm um sie. »Hildegard hat recht, Jenny«, sagte er, indem er sie mit dem Namen ansprach, den er ihr als Baby gegeben und den sie seit Jahren nicht mehr gehört hatte. »Deine Mom würde nicht wollen, dass wir hierbleiben. Sie würde wollen, dass wir uns in Sicherheit bringen – ganz besonders du. Komm.«
Jenna schüttelte nur schweigend den Kopf. Doch sie gab den Widerstand auf und ließ sich von Silas wegführen.
Langsam gingen sie über den Rasen, der sich nun weiß färbte, da der Schneeregen in der zunehmenden Kälte der Nacht in richtigen Schnee überging. Sie steuerten auf den stummen Kreis der Zauberer, Schreiber und Lehrlinge zu, die ihre lila Seile in den Händen hielten. Plötzlich erhellte ein Blitz den Himmel, und ein Zischen ging durch die Luft. Jenna zuckte zusammen.
»Keine Sorge«, beruhigte Hildegard. »Das ist nur das Signal zum Aktivieren des Kordons.« Gleich darauf wehte ein merkwürdiges Summen zu ihnen herüber, wie von unzähligen Bienen an einem warmen Sommertag. Das hatte etwas Beunruhigendes – Bienen
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