Septimus Heap: Darke Toad - Die Dunkelkröte
plötzlich geriet die Prozession ins Stocken. Eine Tür wurde geöffnet, und Dorinda trat heraus, ein großes Handtuch um den Kopf geschlungen.
»Hallo, Dorinda«, rief die Hexenmutter, als hätte es nie einen Zwischenfall mit Elefantenohren gegeben. »Wir gehen aus. Kommst du mit?«
Dorinda betastete vorsichtig den Handtuchturban und rang sich ein Lächeln ab. »Danke, Hexenmutter, nicht heute Abend. Ich habe mir gerade die Haare gewaschen.« Damit verschwand sie wieder in der Dunkelheit.
Die Hexen taumelten den Gang hinunter und stürzten, brüllend vor Lachen, aus der Haustür.
Von ihrem Platz auf dem Türklopfer aus beobachtete die Dunkelkröte, wie ihr Meister sich entfernte. Sie wartete die vorgeschriebene Lauschzeit – fünf Minuten und ein paar Zerquetschte –, dann hüpfte sie auf die Straße und folgte dem Meister, wie es sich für eine pflichtschuldige Kröte gehörte.
7
Alice am Fenster
Es war zwei Uhr morgens, und hinter einem schmalen, hohen Fenster im Erdgeschoss des Zollhauses brannte noch Licht. Alice Nettles, die Oberzollinspektorin von Port, legte Wert darauf, wie ihre Untergebenen Spätdienst zu leisten, aber so langsam wünschte sie sich, sie wäre weniger auf Gleichbehandlung bedacht. Mit der Abendflut war eine große Ladung brauner Gummistiefel eingetroffen und hatte einen Streit darüber entfacht, wie die Ware einzustufen war (ob als Arbeitsstiefel oder als Schuhe für den häuslichen Gebrauch) und welcher Zollsatz folglich dafür erhoben werden musste. Alice hatte den Streit beendet, indem sie den Posten beschlagnahmte, und vor ungefähr einer halben Stunde hatte sie sich hingesetzt, um ihren Bericht zu schreiben. Es war eine lästige, aber unumgängliche Pflicht, denn morgen wartete wieder ein arbeitsreicher Tag.
Alice war eine Achtung gebietende, energische Frau mit grauem Haar und meist strenger Miene, die sie sich in der Zeit angewöhnt hatte, als sie in der Burg als Richterin tätig gewesen war. Heute Nacht allerdings wirkte sie müde und auch ein wenig einsam, wie sie so, noch mit ihrer dunkelblauen Amtsrobe bekleidet, in ihrem kalten, kleinen Kontor saß. Sie kam gerade zum Schluss ihres Berichts: Der Umstand, dass Schuhwerk in Kindergrößen darunter ist, weist auf eine Verwendung im häuslichen Bereich hin, daher wird der Posten beschlagnahmt, bis der höhere Zollsatz entrichtet ist. Da vernahm sie von draußen her schon wieder störenden Lärm.
Es war ein sehr unruhiger Abend in Port gewesen. Hallowseeth, wie der Abend vor Allerheiligen genannt wurde, war ein Fest, das in der Burg überhaupt nicht, in Port dafür aber umso ausgiebiger gefeiert wurde. Kurz nach Mitternacht war es losgegangen, und seitdem hatten die feiernden Nachtschwärmer nichts anderes getan, als andere zu belästigen, wie Alice fand. Und natürlich würden sie bis zum Morgen damit weitermachen. Alice seufzte. Normalerweise würde ihr das nichts ausmachen, aber heute Nacht beherbergte das Zollhaus wichtige Gäste, die Außergewöhnliche Zauberin und ihren neuen Lehrling. Alice zog einen Hocker ans Fenster und kletterte hinauf, um nachzusehen, was diesmal der Grund für den Krach war.
Zu ihrer Überraschung hatten sich ein paar ganz Unerschrockene als Angehörige des Porter Hexenzirkels verkleidet und führten eine Art lustiges Straßentheater auf. Im Mittelpunkt der Darbietung stand eine Schubkarre mit einer großen Blechbüchse darin, um die offenbar ein Streit entbrannt war. Alice schüttelte den Kopf. Sie konnte nur hoffen, dass diese Leute wussten, was sie taten – der Porter Hexenzirkel nahm es bekanntlich nicht gut auf, wenn man sich über ihn lustig machte. Und noch während sie zusah, wurde es draußen ein wenig gewalttätig. Eine Akteurin – Alice wusste nicht genau, welche Hexe sie darstellen sollte – warf sich über die Blechbüchse und trat mit den Füßen nach einer anderen, viel größeren Hexe, die sich mit einem kräftigen Tritt revanchierte, der die kleinere zu Boden plumpsen ließ. Alice zuckte zusammen. Genau das war das Problem mit Hallowseeth, dachte sie. Die Leute schlugen immer über die Stränge. An Tagen wie diesem sehnte sie sich nach der Ruhe und Beschaulichkeit der Burg.
Während sie überlegte, ob sie den Hafenmeister verständigen sollte, um den Streit zu beenden, stach ihr etwas sehr Sonderbares ins Auge. Eine der Gestalten, die bei den Hexen standen, war als DomDaniel verkleidet. Was für ein Leichtsinn, dachte Alice, denn wie viele Bewohner Ports hing sie dem
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