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Septimus Heap - Fyre

Titel: Septimus Heap - Fyre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Sage
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direkt ans Wasser. Und sie waren sehr, sehr alt. Manche standen halb im Wasser, andere waren in etwas Glänzendes gehüllt, das dünn wie Papier zu sein schien, und wieder andere waren vollkommen intakt. In den Häusern brannte Licht, und ich sah Menschen darin herumgehen. Ich konnte direkt in ihre Zimmer sehen. Aber niemand bemerkte mich, und ich beobachtete die Leute eine ganze Weile. Boote kamen den Fluss herunter. Manche waren ziemlich groß und erzeugten einen sonderbaren Lärm. Außerdem fuhren sie ohne Segel oder Ruder. Es waren nicht viele, weil es schon ziemlich spät war. Trotzdem konnte ich Menschen hören, die sich unterhielten und fröhlich lachten.«
    Jenna hielt kurz inne und fuhr dann fort.
    »Da stand ich also und sah fröhlich aus dem Fenster, als ich hinter mir in der Halle ein leises, ersticktes Husten hörte. Ich tat so, als hätte ich gewusst, dass die ganze Zeit über jemand in der Halle war – und so war es ja auch, wie mir in dem Moment klar wurde. Ich drehte mich herum und spähte in die Dunkelheit. In der Mitte der Halle konnte ich nichts erkennen, nur am Rand, in dem schwachen Licht der kleinen Tischkerzen und dem matten Glanz der Wände, aber das wollte ich diesen Jemand nicht wissen lassen.
    ›Guten Abend‹, sagte ich. ›Ich glaube, wir sind uns noch nicht vorgestellt worden.‹ Meine Stimme klang eigenartig in der Dunkelheit, und mir wurde bewusst, dass ich zum ersten Mal in diesem Haus etwas gesagt hatte.
    ›Guten Abend‹, kam die Antwort. Die Stimme überraschte mich – sie gehörte einem Mädchen. Sie hatte einen merkwürdigen Akzent und erinnerte mich ein wenig an diese dämliche Hexe Marissa. Deshalb war sie mir erst einmal gar nicht sympathisch.«
    »Habt ihr euch zerstritten, du und Marissa?«, stichelte Nicko.
    »Sie ist eine hinterhältige Ziege«, antwortete Jenna.
    »Na dann.«
    »Jedenfalls habe ich zu dem Mädchen gesagt, dass es unhöflich ist, sich im Dunkeln zu verstecken und Leute zu beobachten. Aber inzwischen hatten sich meine Augen besser an die Dunkelheit gewöhnt, und ich sah sie mitten in der Halle auf dem Fußboden hocken. Da stand sie auf und kam auf mich zu. Ich beschloss, mich nicht vom Fleck zu rühren. Sollte sie ruhig zu mir kommen.«
    Jenna schmunzelte.
    »Ich vermute, dass der ganze Königinnenkram schon auf mich abgefärbt hatte. Als sie näher kam, erkannte ich, dass sie Marissa überhaupt nicht ähnlich sah, und da war sie mir schon viel lieber. Und wie sich dann herausstellte, war sie richtig nett. Sie trat auf mich zu und küsste mich auf beide Wangen – so begrüßt man sich dort …«
    »Klingt verlockend«, sagte Nicko mit einem Grinsen.
    »Nicko«, erwiderte Jenna streng, »du bist in letzter Zeit so ungehobelt. Du bist zu oft in Port.«
    Nicko schaute beschämt drein.
    »Und überhaupt: Wenn du dort wärst, würdest du nie ein Mädchen treffen, denn wie sich herausstellte, dürfen Mädchen da so gut wie nie ausgehen. Und wenn, dann nicht allein. Ich durfte jedenfalls nicht, so viel steht fest. Wäre Julia nicht gewesen – so hieß sie –, hätte ich nur das Innere des alten Gemäuers kennengelernt und das, was vom Fenster aus zu sehen war. Ich war die ganze Zeit über mit meiner Mutter und meiner Großmutter zusammen.« Jenna seufzte. »Meine Güte, war das manchmal langweilig. Sie redeten ständig nur über unsere Familie und darüber, wo sie herkam, über all die Dinge, die von mir erwartet werden, wenn ich nach Hause komme, blablabla.«
    »Aber wenn Mädchen nicht ausgehen dürfen, wie habt ihr euch dann davongestohlen, du und Julia?«, fragte Nicko.
    »Wir haben Masken getragen. Maskiert konnten wir abends überall hin. Wir brauchten nur einen langen Umhang und Männerschuhe. Solange wir nichts sagten, hielten uns alle für Jungen. Es war toll. Julia nahm mich an alle möglichen Orte mit. Die Stadt war sehr schön.«
    Jim Knee aß seine letzten Bratkartoffeln. Dann stand er ganz leise auf und verschwand in der Dunkelheit. Ihm war schlecht, aber nicht, weil er fast zwei Pfund Bratkartoffeln und ein halbes fettes Hähnchen verdrückt hatte. Sondern weil er dreißig Jahre seines Lebens in der von Jenna geschilderten Stadt verbracht hatte – und fünfzehn Jahre davon in einem Kerker knapp unterhalb des Meeresspiegels, der sich jedes Mal, wenn die Flut kam, mit Wasser füllte. Plötzlich hatte er wieder den feuchten ekligen Geruch des Kerkers in der Nase gehabt.
    Niemand hatte bemerkt, dass er aufgestanden war, und Jenna erzählte

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