Septimus Heap - Fyre
er Heimweh bekommen hatte, war er – wie Tallula Crums kleiner Küchenjunge – immer durch den Schmugglerschlund nach Hause gelaufen, um die Obstgärten zu sehen und eine Hammelpastete zu essen.
Und nun war er wieder im Schlund und auf dem Weg zur Burg. Die Spur, der er folgte, beunruhigte ihn sehr. Sie strahlte starke schwarze Magie aus und das, was seine Mutter immer »böse Absichten« genannt hatte.
Ein Geist kann erheblich schneller vorankommen als zwei erschöpfte Menschen, und so dauerte es nicht lange, bis Julius Pike das klägliche Stöhnen von Edmund und Ernold vernahm. Der Geist hielt inne und lauschte.
In diesem Moment bemerkte er, dass er nicht der Einzige war, der dieser Spur folgte. Neben der Bosheit der Ringzauberer und der Verzweiflung der Heaps spürte er noch etwas anderes: die Gegenwart eines sehr alten Wesens. Und während er die Verfolgung der beiden entkräfteten Menschen vor ihm mit gebremstem Tempo wiederaufnahm, überlegte er, was für ein Wesen das wohl sein mochte. Es gab eigenartige Laute von sich, ein rhythmisches Klappern, das ihn neugierig machte. Merkwürdigerweise klang es nach einem Insekt, und doch ging von dem Wesen etwas Altes, Weises und Menschliches aus. Julius zerbrach sich darüber den Kopf, während er den Biegungen und Windungen des Tunnels und dem Schnaufen und Stöhnen der Heaps folgte, und er brauchte einige Meilen, bis er dahinterkam, dass es sich bei dem geheimnisvollen Wesen um einen verwandelten Dschinn handeln musste. Selbst einem Geist war nicht wohl bei dem Gedanken, in dieser Enge hier unten allein mit zwei bösartigen Wesen zu sein. Da tat es gut, Gesellschaft zu haben.
Und so wanderte die merkwürdige Prozession nicht sehr tief unter den Farmlanden langsam und für einige Teilnehmer qualvoll durch den finsteren Schmugglerschlund dem nächsten Ausgang entgegen – dem Haus Nummer 67 an der Zaubererallee.
Zur selben Zeit standen Jenna, Simon und Nicko zitternd auf dem Hafenplatz in Port und sahen zu, wie Septimus sich zum Zaubererturm teleportierte – je früher Marcia erfuhr, was geschehen war, desto besser. Als sich der magische lila Dunst in der Nachtluft verflüchtigte und Septimus verschwunden war, eilte Nicko mit den anderen zum Handwerker-Kai, wo Jannits Versorgungsboot lag. Wenig später fuhren sie in die Nacht hinaus. Nicko hatte recht gehabt: Es wurde eine ungemütliche Fahrt. Der gegen den Ebbestrom blasende Wind warf hohe Wellen auf, und das Boot hüpfte auf und ab, als es die Mündung des Flusses ansteuerte, wo die Flussströmung den Ebbestrom noch verstärkte.
Nicko stand am Ruder und strahlte über das ganze Gesicht. Er fand es immer aufregend, ein Boot durch raue Gewässer zu steuern, und bedauerte es, dass er nur noch selten Gelegenheit dazu hatte, denn seit seiner Ernennung zum Gesellen musste er auf der Werft häufig Arbeiten beaufsichtigen und konnte nur neidisch zusehen, wenn der neue Lehrling, der traurige kleine Eustace Bott, mal wieder mit einem Auftrag nach Port fuhr. Nickos Passagiere waren von der Fahrt weniger begeistert. Eingewickelt in feuchte, nach Teer riechende Decken, kauerten Jenna und Simon in der Kombüse und versuchten, etwas zu schlafen.
Es sollte eine lange Nacht werden.
* 35 *
EIN ABTRITT
Septimus war wohlbehalten aus Port zurück und schlief oben im Zaubererturm. Doch Marcia war hellwach. Sie hatte soeben in der gesamten Burg einen Probealarm ausgelöst und suchte nun ihre neuen Beobachtungsstationen auf, um sich ein Bild von dem Ergebnis zu machen. Nach den zahllosen Kerzen zu urteilen, die von den Bewohnern in Windeseile in die meisten Obergeschossfenster gestellt worden waren, war die Übung ein voller Erfolg.
Der Alarm gehörte zu den neuen Sicherheitsvorkehrungen. Bestürzt über die Opfer, die das Dunkelfeld gefordert hatte, wollte Marcia mit allen Mitteln verhindern, dass Burgbewohner jemals wieder von Dunkelkräften überrumpelt wurden. Zu diesem Zweck hatte sie jedes Haus mit einer komplizierten Alarmvorrichtung ausgestattet. Natürlich hatte nicht jeder Haus- oder Ladenbesitzer eine haben wollen – wie zum Beispiel Larry in der Zaubererallee 67 –, aber die meisten waren nur allzu froh darüber gewesen.
Marcia sah zu, wie die Kerzen in den Fenstern wieder verloschen, dann kehrte sie in ihre Küche zurück und befahl dem Kaffeekessel, Kaffee aufzubrühen. Während sie auf das Getränk wartete, nahm sie einen ungeöffneten Briefumschlag mit rot-goldener Banderole vom Tisch. Sie
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