Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
Mensch.«
Darauf war ich gefasst gewesen. »Alle diese Lebensweisen sind mir nicht unbekannt, ja.«
Er beugte sich vor. »Und was hältst du davon, ein Drache zu sein?«
»Offen gesagt finde ich es … unangenehm. Und verwirrend.«
»Tatsächlich? Das ist auch nicht verwunderlich. Drache zu sein ist sehr speziell.«
»Ich finde es sehr anstrengend, ständig die Windrichtungen zu berechnen und den Gestank der ganzen Welt ertragen zu müssen.«
Er faltete seine dicken Hände und sah mich aufmerksam an.
»Aber vielleicht verstehst du auch ein bisschen, wie befremdlich diese Menschengestalt für Drachen ist. Was uns umgibt, erscheint seltsam, wir verlieren leicht die Orientierung, sowohl außerhalb als auch in uns selbst. Wenn ich mich als Saarantras anders verhalte als in meiner Drachengestalt, dann frage ich mich: Wer bin ich denn wirklich?«
»Liebe ich dich gar? Mir scheint, dass Liebe einer der möglichen Gründe dafür ist, dass ich dich verteidigt habe. Und doch weiß ich nicht, wie man jemanden liebt. Ich frage mich, wie ich das in Erfahrung bringen soll.«
»Ihr liebt mich nicht«, erwiderte ich kurz angebunden.
»Aber vielleicht habe ich dich einen kurzen Moment lang geliebt. Wäre das denkbar?«
»Nein.«
Inzwischen hatte er seinen Arm ganz in dem weiten Ärmel verschwinden lassen und seine Hand kam aus der Kragenöffnung seines Wappenrocks hervor und kratzte sein Doppelkinn. Erstaunt sah ich ihm bei seinen seltsamen Verrenkungen zu.
»Liebe muss man radikal austreiben« erklärte er. »Wir sagen unseren Studenten stets, dass sie sich vor diesem Gemütszustand hüten sollen. Er ist eine wirkliche Gefahr für einen Saar, denn jene, die sich verlieben, wollen nicht mehr zu uns zurückkommen. Sie möchten keine Drachen mehr sein.«
»So wie meine Mutter«, sagte ich und schlang die Arme fest um mich.
»Genau!«, rief er; es war ihm egal, ob mich sein Tonfall verletzte. »Unsere Regierung geht rigoros gegen alle übertriebenen Gefühle vor, aber ganz besonders gegen die Liebe, und das ist richtig so. Aber da ich nun schon einmal hier bin und diese merkwürdige Gestalt angenommen habe, möchte ich alles darüber erfahren und zwar schnell. Wenn ich wieder nach Hause komme, wird man mir meine Erinnerungen nehmen – ich werde mich also garantiert nicht in diesen Gefühlen verlieren –, aber ich möchte zumindest einmal verspüren, wie groß diese Gefahr ist, möchte selbst in den entsetzlichen Rachen der Liebe blicken, ihren tödlichen Odem ertragen, um so bessere Möglichkeiten zu finden, andere, die an dieser Krankheit leiden, zu kurieren.«
Fast hätte ich losgelacht. Ich konnte ihm nicht widersprechen, wenn er die Liebe entsetzlich nannte, ja sogar von einer Krankheit sprach, denn dafür hatte mir Kiggs schon viel zu viele Schmerzen bereitet, aber ich durfte ihn auch nicht in dem Glauben lassen, dass ich seinen Plan so ohne Weiteres billigte. »Wenn Ihr jemals Liebe erfahren solltet, dann hoffe ich, werdet Ihr mehr Mitgefühl mit der qualvollen und unmenschlichen Entscheidung haben, vor der meine Mutter stand, der Wahl zwischen ihrem Volk und dem Mann, den sie liebte, zwischen ihrem Kind und ihrem eigenen Leben!«
Comonot sah mich unnachgiebig an. »Sie hat sich beide Male falsch entschieden.«
Er machte mich wütend. Dummerweise war ich mit einem bestimmten Ziel hierhergekommen, das ich immer noch nicht erreicht hatte. »General, was die Verschwörung angeht –«
»Deine fixe Idee?« Er schlüpfte wieder in den Ärmel zurück und trommelte mit den Fingern auf der Stuhllehne. »Ja, anstatt uns den Kopf über Kontrafakte zu zerbrechen, lass uns lieber darüber nachdenken. Wenn du aufgrund der Erinnerungen deiner Mutter von der Verschwörung weißt, dann muss sie beinahe zwanzig Jahre her sein. Woher willst du wissen, dass man die Übeltäter nicht längst gefasst und in alle Winde vertrieben hat?«
Ich presste die Hände zusammen, um mir meine Verärgerung nicht anmerken zu lassen. »Ich bin sicher, Ihr könntet mir darüber Auskunft geben.«
Er zupfte an seinem Ohrring. »Woher willst du wissen, dass die Verschwörerbande sich nach Imlanns Verbannung nicht selbst aufgelöst hat?«
»Imlann scheint immer noch dasselbe Ziel zu verfolgen wie damals. Das legt den Verdacht nahe, dass die Verschwörung noch im Gange ist«, sagte ich. »Zwar sind die Ritter verbannt worden, aber Imlann will herausfinden, ob die Dracomachie genug geschwächt ist. Wenn ja, dann werden die Generäle einen Weg
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