Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
Jucken zu kaufen. Es war kein passender Ort für ehrbare junge Mädchen, und mein Vater hatte mir eingeschärft, mich tunlichst davon fernzuhalten. So oft ich auch seine Verbote und Einwände missachtete, in diesem Fall fügte ich mich willig drein.
Orma führte uns in eine Gasse zu einem Haus, beugte sich über das Hoftor, entriegelte es und betrat mit uns einen ungepflegten Küchengarten. Unter unseren Füßen knackten alte Kürbisranken, hinter einem Gatter grunzte ein Schwein und in einem Verschlag lagerte faulendes Gemüse. Es stand zu befürchten, dass jeden Augenblick der Bewohner des Hauses auftauchen und uns mit einer Mistgabel bedrohen würde.
Aber Orma ging schnurstracks zur Tür und klopfte drei Mal. Nichts rührte sich. Er klopfte wieder und kratzte mit den Fingernägeln über den abblätternden Farbanstrich.
Eine kleine Fensterluke ging auf. »Wer da?«, fragte eine Stimme.
»Der Iltis«, sagte Orma. »Ich bin gekommen, um dem Nerz eins auszuwischen.«
Eine alte Frau mit zahnlosem Grinsen ließ uns hinein. Ich folgte Orma mehrere Stufen hinunter in ein muffiges Halbdunkel. Wir gelangten in einen feuchten, stinkenden Keller, der von einem großen Kaminfeuer und kleinen Laternen erhellt wurde, nicht zu vergessen von einer Leuchterfigur in Gestalt einer schwebenden Meerjungfrau mit Geweih und ungeniert dargebotenen nackten Brüsten, die zwei Kerzen wie Schwerter in Händen hielt. Beim Anblick ihrer hervorquellenden Augen fragte ich mich unwillkürlich, ob sie in mir womöglich ein schwesterliches Ungeheuer wiedererkannte.
Langsam gewöhnten sich meine Augen an das flackernde Licht. Wir befanden uns in einem illegalen Wirtshauskeller. An klapprigen Tischen tummelte sich eine bunte Gästeschar – Menschen, Saarantrai und Quigutl. Die Menschen und Saarantrai saßen gemeinsam an den Tischen, Studenten diskutierten tief in Gedanken versunken mit ihren Lehrern. Ein Saar war gerade dabei, die Prinzipien der Oberflächenspannung zu demonstrieren – fast so wie damals Zeyd, ehe sie mir auf ihre ganz spezielle Art eine Lektion zur Schwerkraft erteilt hatte -, indem er ein Glas Wasser verkehrt herum hielt und nur ein Pergamentblatt das Wasser daran hinderte, sich über die staunenden Studenten zu ergießen. In einer anderen Ecke war man dabei, ein kleines Säugetier zu sezieren, oder war es nur das Essen, oder beides?
Niemand ging aus freien Stücken nach Quighole. Ich hatte engere persönliche Beziehungen zu Saarantrai als die meisten anderen Menschen, aber selbst ich war erst ein einziges Mal hier gewesen. Noch nie zuvor hatte ich meine beiden … Familienzweige auf so engem Raum beieinander gesehen, und der Anblick brachte mich ein wenig aus der Fassung.
Die Menschenstudenten gaben sich zwar nicht sonderlich mit den Quigutl ab, dennoch war es bemerkenswert, wie wenig Aufhebens sie um die Kreaturen machten. Niemand lehnte Essen ab, nur weil Quigs es berührt hatten – die Mahlzeiten wurden nämlich von ihnen serviert –, und niemand kreischte auf, wenn er einen von ihnen unter dem Tisch entdeckte. Einige Quigutl klebten an den Vorhängen und an den Wänden, einige saßen gemeinsam mit Saarantrai an Tischen. Der Gestank in der Luft stammte zweifellos von schlechtem Quig-Atem, aber unsere Nasen gewöhnten sich zum Glück recht bald daran. Als wir endlich an einem Tisch saßen, fiel mir der üble Geruch schon nicht mehr auf.
Orma ging, um die Bestellung aufzugeben, und ich blieb mit Basind allein zurück. Unser Tisch war mit lauter Rechnungen vollgekritzelt. Ich gab vor, sie eingehend zu studieren, tatsächlich jedoch musterte ich mein Gegenüber. Basind glotzte ausdruckslos zum Nebentisch, an dem lauter Quigs saßen.
In seiner Gegenwart konnte ich kaum offen mit Orma reden, und doch würde mir wohl nichts anderes übrig bleiben.
Ich folgte Basinds Blick und hielt überrascht den Atem an. Die Quigs am Nebentisch ließen ihre Zungen schnalzen und sprühten Funken. Ich konnte es nicht so genau erkennen, aber es hatte den Anschein, als würden sie die Gestalt einer Flasche verändern, indem sie mit ihrem heißen Atem das Glas schmolzen und es dann formten wie weichen Karamell. Den langen, geschickten Fingern an den rutenförmigen Rückenarmen – sie hatten Gliedmaßen dort, wo sich bei den Drachen die Flügel befanden – schien die Hitze nichts auszumachen. Sie zogen das Glas so dünn wie Draht, erhitzten es erneut und fertigten daraus hauchzarte Gebilde.
Orma kehrte an den Tisch zurück und stellte die
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