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Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Titel: Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hartman
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und dem Horten von Schätzen, um nur zwei zu nennen – werden auch von den Philosophen der Menschen unterstützt. Wo immer solche Lehren logisch, ethisch und nachvollziehbar sind, können wir sie auch zu den unseren machen.
    Aber seid gewarnt, vom Schlupfling, der vor seinem ersten Flug in den Süden steht, bis hin zum verehrungswürdigen Lehrer, der sich schon in einer Wolke der Unachtsamkeit verirrt hat: Das Menschliche birgt auch Gefahren. Gebt euch nicht dem feuchten Gehirn dieser Spezies anheim. Drachen vergessen, wer sie sind, wenn sie von dem chemischen Gift der Gefühle verführt werden.«
    In dieser Beziehung irrt der Ardmagar. Ich könnte nie vergessen, wer ich bin, selbst wenn ich wollte. Und hier sitze ich nun und kann auch Claude nicht vergessen.
    »Gefühle machen abhängig!«, donnert der Ardmagar. »Sie haben keinen Sinn. Sie sind das Gegenteil von Vernunft. Sie führen zu unlogischen, für die Drachen nicht brauchbaren Wünschen.«
    »Sie führen zur Kunst«, murmle ich.
    Er hört den Nachhall meiner Stimme, nicht umsonst wurden die Klangverhältnisse im Hohen Nest während eines Jahrtausends vervollkommnet. »Wer hat da gegen jede Ard gesprochen?«
    Ich hebe den Kopf in einem 40-Grad-Winkel und gebe meine unterwürfige Haltung auf. Alle starren mich an. »Ich habe gesagt, Ardmagar, dass Gefühle den Menschen zur Kunst führen.«
    »Kunst.« Er fixiert mich mit dem Blick des Jägers, der meine Schnelligkeit und meine Abwehrbereitschaft einschätzen will. »Die Kunst gleißt wie ein ungehobener Schatz. Ich weiß das, Küken. Aber wir studieren die Künste. Wir fliegen über sie hinweg aus einer vernünftigen, sicheren Entfernung. Eines Tages werden wir ihre Wirkung verstehen. Wir werden sie der Ard unterwerfen, wir werden lernen, sie zu hegen, und wir werden erkennen, warum es sich lohnt, dies zu tun. Aber lass dich nicht von dem Tun der Menschen verführen. Ist ein Atemzug voll Kunst es wert, ein Leben lang den stinkenden Luftstrom menschlicher Gehirnausdünstungen zu ertragen?«
    Ich senke den Kopf, unterdrücke meinen Instinkt. In der Menschenwelt würde man das, was ich gerade empfinde, als Wut bezeichnen; die habe ich bereits verspürt. Im Gehirn eines Drachen bedeutet das so viel wie »spucke Feuer oder fliehe«. Warum habe ich überhaupt etwas gesagt? Er wird sich meine Worte durch den Kopf gehen lassen und zu der Überzeugung gelangen, dass ich mich angesteckt habe. In der Nacht werden die Zensoren kommen und man wird meine Gefühle in einer Exzision tilgen. Sie werden das Unbestimmbare aus meinen Erinnerungen entfernen, damit ich wieder in Ard wäre.
    Ich wollte vergessen, deswegen bin ich wieder nach Hause gekommen. Ich möchte vergessen und ich möchte es auch wieder nicht. Man vermag nicht in zwei Richtungen zugleich zu fliegen. Ich kann nicht bei denen verweilen, die glauben, dass etwas mit mir nicht stimmt.
    Ich überfliege, was in meinem Notizkasten steht. Und ich füge hinzu: Liebe ist keine Krankheit.
    Ich machte die Augen auf und sofort wieder zu, denn Kiggs hatte sich über mich gebeugt; besorgt hatte er mir die Hand auf die Stirn gelegt. Bei allen Hunden der Heiligen, ich war unter der Macht dieser Erinnerungen zusammengebrochen. Weshalb war ich nicht kopfüber die Brüstung hinuntergestürzt, dann wäre mir die Demütigung erspart geblieben, aufzuwachen und von allen angestarrt zu werden?
    »Sie kommt wieder zu sich«, sagte er. »Fina, hörst du mich?«
    »Es ist stickig hier oben«, sagte unser bester Trompeter. »Wir spielen jetzt schon drei Stunden, ihr geht’s doch gut, oder?«
    »Dieser Bastard von Viridius ist daran schuld. Er ist der reinste Sklaventreiber!« Das klang ganz nach Guntard.
    Die Hand auf meiner Stirn zuckte bei dem Wort »Bastard« zusammen. Ich schlug gerade noch rechtzeitig die Augen auf, um den Ärger in Kiggs Augen zu bemerken, der sich jedoch sofort legte, als der Prinz sah, dass ich wieder bei Besinnung war.
    Er half mir aufzustehen. Ich schwankte benommen – der Boden war so weit unter mir! –, bis ich begriff, dass ich ja noch oben in der Galerie war und in den beinahe völlig leeren Saal hinabschaute. Die letzten Würdenträger verließen gerade den Raum und taten so, als würden sie sich nicht voller Neugier den Hals danach verrenken, was hier oben vor sich ging.
    »Was ist geschehen?«, fragte ich mit belegter Stimme; meine Kehle war spröde wie Pergament.
    »Du bist ohnmächtig geworden«, erklärte Guntard. »Wir dachten, die Hitze macht dir

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