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Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Titel: Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hartman
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Okra. Sie benahm sich dezenter als die meisten anderen, aber sie lebte ja auch schon lange in Goredd.
    Der Ardmagar erschien an der Tür und sofort verstummten alle. Er war genauso dick und pausbäckig wie Viridius. Seine dunklen Haare wirkten, als habe man sie nass gemacht und dann einen ordentlichen Scheitel gezogen, und doch würden sie, sobald sie trocken waren, sofort wieder drahtig vom Kopf abstehen. Seine Adlernase und der stechende Blick verliehen ihm hingegen etwas Respekteinflößendes. Er strahlte Kraft aus, in ihm loderte ein inneres Feuer, das er kaum bändigen konnte. Die Luft um ihn herum schien zu flirren wie die heißen Straßen in der sommerlichen Stadt. Seine Glocke trug er an einer schweren Goldkette um den dicken Hals wie eine Auszeichnung vor sich her. Er hob grüßend den Arm. Der ganze Saal hielt den Atem an. Die Königin stand auf, auch Prinzessin Dionne erhob sich respektvoll. Glisselda und Kiggs, die beide links von ihnen Platz genommen hatten, spielten in diesem Moment nur eine Nebenrolle.
    Wir Galerieratten sollten genau in diesem Moment eine Fanfare spielen, aber wir waren wie gelähmt. Von Nahem machte Comonot noch viel größeren Eindruck auf meine Musiker.
    Mir hingegen war der kalte Schweiß ausgebrochen.
    Ich zitterte am ganzen Leib, überwältigt von den widerstrebendsten Gefühlen. Angst, Wut und Abscheu erfüllten mich, aber diese gefährliche Mischung gab nicht meine eigenen Empfindungen wieder.
    Ich schloss die Augen und sah die Blechschatulle mit den Erinnerungen in einer Pfütze liegen und auslaufen. Dicke Wassertropfen kullerten an den Seiten hinunter. Ich war völlig abgelenkt, weil die Gefühle, die meine Mutter Comonot entgegengebracht hatte, in meine Gedanken troffen. Suchend sah ich mich in meinen Gedanken nach einem … einem Handtuch um. Meine Erinnerungen hatten eines parat. Ich wischte damit auf, dann schlug ich die Schatulle in das Tuch ein.
    Der Gefühlswirrwarr lichtete sich und ich schlug die Augen auf.
    Comonot war mit erhobenem Arm auf dem Teppich stehen geblieben und nicht weiter auf das Podium zugegangen. Er sah aus wie die Gipsstatue seiner selbst.
    »Wacht auf, ihr Schlafmützen!«, zischte ich meinen Musikern zu. Sie fuhren hoch wie aus einer Trance erwacht, setzten ihre Instrumente an und begannen auf mein Zeichen hin zu spielen.
    Erst bei diesem verspäteten Fanfarenstoß setzte der General sich wieder in Bewegung und schritt den langen Weg bis zum Podium ab, lächelnd und winkend und alle mit seinem Glanz beglückend. Er schien jedem Einzelnen persönlich zuzuzwinkern.
    Er trat an den Thron, küsste die mit Ringen geschmückte Hand der Königin und sagte mit seiner tiefen Bassstimme: »Königin Lavonda, Prinzessinnen, geschätzte Anwesende. Ich bin gekommen zu Ehren des vierzigjährigen Friedens zwischen unseren Völkern.«
    Er wartete, bis sich der Beifall gelegt hatte, und sah dabei so selbstzufrieden aus wie eine Katze. »Wisst ihr, weshalb Drachen gelernt haben, die menschliche Gestalt anzunehmen? Wir verwandeln uns, damit wir mit euch sprechen können. In unserer natürlichen Gestalt sind unsere Kehlen vom Rauch so heiser, dass wir eure Worte nicht hervorbringen. Ihr hingegen begreift Mootya nicht als eine Sprache. Es war der weise Drache Golya, oder Golymos, wie man ihn in Porphyrien nennt, der vor beinahe tausend Jahren herausgefunden hat, wie wir uns verwandeln können. Er wollte mit den porphyrischen Philosophen diskutieren und gründete die berühmte Hohe Schule für unser Volk. Es war das erste Mal, dass Drachen Gutes und Nützliches bei den Menschen gesucht haben, aber nicht das letzte Mal. Golya ist als einer unserer Großen in die Geschichte eingegangen – so wie auch ich als ein solcher in die Geschichte eingehen werde.«
    Beifall brandete durch den Saal. Comonot wartete, bis dieser sich gelegt hatte, mit der Hand in der Lücke zwischen zwei Knöpfen seines Seidenwamses, als wollte er sich immer wieder einmal am Bauch kratzen.
    »Die Idee, Frieden zu schließen, kam mir im Traum, als ich noch Student an Golyas Hoher Schule war, der Danlo Mootseye. Wir Drachen träumen für gewöhnlich nicht. Also ließ ich mich im Träumen unterrichten. Wir schliefen in unserer menschlichen Gestalt und berichteten jeden Tag von den Wundern, die wir im Traum gesehen hatten.
    Eines Nachts erschien mir ein Schatz, der wie die Sonne funkelte. Ich streckte die Hand aus und wollte ihn berühren, aber was da glitzerte, war kein Gold, es war Weisheit, die aus

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