Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
davon war, dass menschliche Gefühle blankes Gift sind, schien er sehr vergnügt.
Glisselda saß neben Comonot als schmückende Begleitung, auf seiner anderen Seite ihre Mutter. Die Königin, Dame Okra und Viridius waren ebenfalls da, nur Kiggs fehlte. Da entdeckte ich ihn im hinteren Teil des Saals; er ging auf und ab, verfolgte die Darbietungen und überprüfte zugleich mit wachsamem Auge die Sicherheitsvorkehrungen. Seiner Miene nach zu urteilen war es eine nervenaufreibende Aufgabe.
Mich selbst hatte ich nicht auf die Liste der Vortragenden gesetzt. Ich verbrachte meine Zeit damit, die nachfolgenden Musiker an ihren Auftritt zu erinnern und vom Bühnenrand aus zuzuhören.
Das Posaunenquartett spielte bereits, als mir auffiel, dass der darauf folgende Solist fehlte. Ich warf einen Blick auf das Programm. Als Nächster war Lars dran. Er sollte das Biniou spielen, eine kleine Dudelsackpfeife in lieblicher Tonlage. Ich hatte ihn den ganzen Tag noch nicht gesehen. Beunruhigt schlich ich hinaus in den Gang und spähte durch die Vorhänge der abgeteilten Kabinen, die uns heute als Garderoben dienten.
Eigentlich hatte ich die Kabinen dafür vorgesehen, dass sich die Musikanten einspielten, und nicht im wortwörtlichen Sinne zum Umkleiden, doch ich überraschte Baron Postlerude, und er kreischte los, als hätte er eben einen Quig in seinem Bett gefunden.
Am Ende der Reihe, hinter dem letzten Vorhang, hörte ich plötzlich aufgeregte Stimmen. Leise trat ich näher, um nicht schon wieder irgendwo hineinzuplatzen. Eine der Stimmen gehörte zweifellos Lars. Ich streckte die Hand nach dem Vorhang aus, zögerte jedoch. Lars klang wütend und er sprach Samsamesisch. Ich lauschte und versuchte, einige Wortfetzen zu verstehen. Mein Samsamesisch war nicht nur eingerostet, ich hatte es nie fließend beherrscht.
Die zweite Stimme gehörte Graf von Apsig, was mich nicht wirklich wunderte. Wenn ich ihn richtig verstand, sagte er gerade: Du folgst mir!
Lars widersprach heftig. Niemals! Dann sagte er: Ich bin hier … dann wieder etwas, was ich nicht verstand, für die Maschine und die Flötenmusik. Ah, ja richtig, er hatte mich ja in seinen Gedanken aus der Ferne spielen gehört.
Josef fluchte wie ein Kutscher, dann sagte er etwas von der Flöte des Wahnsinns , eine Formulierung, die mich amüsierte. Josefs Stiefel polterten bei jedem seiner Schritte, aber dann sagte er fast flehentlich: Niemand darf erfahren, was du bist!
Und du? , fragte Lars. Was wirst du tun, wenn man erfährt, wer du bist?
Josef knurrte eine Antwort, die ich nicht verstand, und dann polterte und krachte etwas. Ich riss den Vorhang zur Seite. Der Graf stand mit dem Rücken zu mir und Lars lag ausgestreckt auf dem Boden zwischen den Instrumentenkoffern. Als er hörte, wie der Vorhang aufgerissen wurde, wirbelte Josef herum und versetzte mir einen derben Stoß. Einen Moment lang standen wir beide da und rührten uns nicht. Josef drückte mich schnaufend gegen die Wand und ich rang nach Luft.
Abrupt ließ er mich los, zupfte seine spitzenbesetzten Bündchen zurecht und murmelte beinahe entschuldigend: »Ich habe dir doch gesagt, du sollst dich nicht mit ihm abgeben. Wann begreifst du, dass er gefährlich ist?«
»Ihr seid derjenige, der gefährlich ist.«
Seine Kinnlade klappte herunter. »Musikmamsell, ich habe nur –«
»Nur was? Meinen Dudelsackspieler geschlagen? Mich gegen die Wand geschleudert?« Ich schüttelte den Kopf. »Ihr braucht nicht mehr aufzutreten. Nehmt Eure Gambe mit und geht.«
Er fuhr sich zitternd durch das blonde Haar. »Das kann nicht dein Ernst sein.«
»Wenn es Euch lieber ist, hole ich Lucian Kiggs, dann könnt Ihr ihm alles selbst erklären.«
Der Graf zwängte sich an mir vorbei, versetzte mir mit dem Ellbogen einen Stoß in den Magen und riss den Vorhang mit einem Ruck hinter sich zu. Seine Gambe hatte er vergessen. Ich verzichtete darauf, ihm deshalb hinterherzurufen, sondern wandte mich Lars zu, der gerade vom Boden aufstand.
Er wich meinem Blick aus. Vermutlich hatte er ebenso viel Angst wie Josef, dass ich etwas gehört haben könnte, was nicht für meine Ohren bestimmt gewesen war. Ich wollte ihn gerade beruhigen, als Guntard draußen rief: »Mistress Serafina, im Konzert geht alles drunter und drüber.«
Ich zog den Vorhang zurück. »Was heißt das?«
»Na ja, ganz so schlimm ist es nicht«, sagte Guntard und fummelte an seinem Wamsknopf. »Aber die Posaunen sind jeden Moment mit ihrem Stück fertig und keiner
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