Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
Weder besuchte ich die Grotesken, noch ging ich schlafen.
Meine Glieder zuckten, so rastlos war ich. Ich zog mich aus, legte Gewand und Überkleid mit peinlichster Sorgfalt zusammen und glättete sie, indem ich mit der Faust darüberfuhr, so als wäre ohne einen ordentlichen Faltenwurf meine Seelenruhe dahin. Meistens ließ ich mein Unterhemd an – ich hasste es, mich nackt zu sehen –, aber jetzt zog ich es aus, faltete es zusammen, faltete es noch einmal, warf es schwungvoll über die spanische Wand, hob es auf, warf es wieder.
Ich lief auf und ab und rieb die Schuppen an meiner Taille. Wenn man auf die eine Seite strich, waren sie glatt wie Spiegelglas, auf der anderen scharf wie tausend Zähne. Das also war ich. Das. Und das. Ich zwang mich, die halbmondförmigen Schuppen anzuschauen, die scheußliche Linie, wo sie aus meinem Körper wuchsen.
Ich war abscheulich. Und es gab Dinge auf dieser Welt, die mir auf ewig verwehrt waren.
Ich stieg in mein Bett, rollte mich zusammen und weinte. Als ich die Augen ganz fest zudrückte, sah ich hinter meinen geschlossenen Lidern Sterne. Ich ging nicht in meinen Garten, ich ging überhaupt nirgendwohin. Plötzlich öffnete sich im verschwommenen Nebel meiner Gedanken eine Tür. Es machte mir Angst, dass es einfach so geschah, ohne dass ich es wollte, aber es riss mich auch aus meinem Selbstmitleid.
Ich machte die Tür auf. Und hielt den Atem an.
Flederchen lugte um die Ecke. Ich stöhnte auf. Er hatte sich seit meiner Strafpredigt so gut benommen, dass ich gar nicht mehr an die früheren Scherereien gedacht hatte. Dass ich ihn nun außerhalb des Gartens wiedersah, beunruhigte mich. Ich dachte sofort an Jannoula, die viel zu neugierig und vorwitzig gewesen war und in meinem Kopf am liebsten das Kommando übernommen hätte.
Flederchen s Miene hellte sich auf, als er mich erblickte. Er schien sich nicht für meine Gedanken zu interessieren, er hatte einfach nur mich gesucht. Zu meinem Entsetzen war ich auch in meinen Gedanken nackt. Ich änderte das sofort, indem ich mich bekleidet dachte.
»Nun hast du mich gefunden«, sagte ich und strich mein imaginäres Kleid glatt, um mich zu vergewissern, dass ich es anhatte. »Ich weiß, ich bin heute Abend nicht im Garten gewesen. Ich … ich habe es nicht über mich gebracht. Ich bin es leid, mich darum zu kümmern. Ich bin es leid, so zu sein, wie ich bin.«
Er hielt mir seine sehnige braune Hand hin.
Ich dachte kurz über sein Angebot nach, konnte mich jedoch nicht dazu durchringen, eine Vision heraufzubeschwören. »Es tut mir leid«, sagte ich. »Alles ist jetzt so schwer für mich und …« Weiter schaffte ich es nicht.
Ich würde ihn aussperren müssen. Aber ich wusste nicht, wie ich die Kraft dazu aufbringen sollte.
Er umarmte mich. Er war klein, reichte mir nicht einmal bis zur Schulter. Ich drückte ihn, schmiegte meine Wange an sein weiches dunkles Haar und weinte. Dann, ich weiß selbst nicht wie, schlief ich ein.
Für jemanden, der kaum mehr als vier Stunden geschlafen hatte, war Kiggs entsetzlich gut gelaunt. Ich hatte mir für mein morgendliches Programm Zeit gelassen, in der Annahme, wir würden es langsam angehen lassen. Aber er war schon vor mir beim Studierzimmer der Königin, schlicht und schmucklos gekleidet wie ein Bauer. Aus der Nähe betrachtet würde ihn allerdings niemand für einen solchen halten, der Schnitt seiner Joppe war zu elegant, die Wolle zu flauschig, sein Lächeln zu strahlend.
Neben ihm stand ein Riese. Lars. »Er hat gestern Abend, nachdem du dich zurückgezogen hattest, nach dir gefragt«, erklärte Kiggs, als ich vor ihnen stand. »Ich habe ihm gesagt, dass er dich heute Morgen hier treffen könnte.«
Lars griff in seine schwarze Jacke und zog ein großes, gefaltetes Pergament hervor. »Ik habe es in der vergangenen Nacht erfunden, es ist für dik, Maid Dombegh, denn ik weiß keinen anderen Weg, um … um dir zu danken.« Mit einer angedeuteten Verbeugung reichte er mir das Blatt und eilte dann, erstaunlich schnell für einen Mann seiner Größe, den Gang entlang.
»Was ist das?«, fragte Kiggs.
Das Pergament flatterte, als ich es auseinanderfaltete. Es sah aus wie eine Konstruktionszeichnung für eine Maschine, obwohl ich nicht einmal wusste, wo oben oder unten war.
Kiggs erwies sich als der Schlauere von uns beiden. »Vielleicht eine Ballista?«, sagte er.
Er hatte sich über meine Schulter gebeugt, um den Plan zu studieren. Sein Atem roch nach Anis.
Ich fragte: »Was ist
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