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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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nicht nur. Johannes Goldmund wird oft mit dem Bienenkorb gemalt, das stimmt. Aber er hat noch ein zweites Attribut. Ebenso wie Jutta von Sponheim. Hier ist sie mit der Lampe dargestellt, aber zu ihr gehört auch noch ...« Er hielt inne, rieb sich den Nasenrücken. »... der Engel.«
    Katharina biss sich auf die Lippen. Zeuner hatte die Schwanenfeder auf den Tisch gelegt, und dort ruhte sie noch immer, weiß, zwei Handspannen lang und sehr schön. Katharina griff danach.Vorsichtig strich sie über die breitere der beiden Fahnen, spürte, wie die feinen Härchen sie an den Fingern kitzelten. »Sigrid ist sich sicher, dass Sebald unschuldig ist.«
    Schedel nahm Katharina die Feder aus der Hand. »Das hat sie damals in Padua auch behauptet, aber er war immer ihr Lieblingssohn. Und außerdem: Seht sie doch an!«
    »Ihr Lieblingssohn? Hatte sie denn noch einen?« Katharina dachte an die unzähligen Gelegenheiten, in denen Sigrid Sebald angefahren und beschimpft hatte. Immer wieder hatte sie ihm Vorhaltungen gemacht, dass er nicht so war wie sein Bruder. Und Sebald hatte stets behauptet, sie sei nur verwirrt, er habe niemals einen Bruder gehabt. Bis heute hatte Katharina ihm geglaubt.
    Schedel achtete nicht auf ihre Frage, sondern brachte das Gespräch auf die Heiligenbilder zurück. »Franz von Assisi. Er passt nicht ins Bild.«
    »Doch!« Einer der Büttel wackelte aufgeregt mit dem Kopf. »Er passt sogar ganz hervorragend!« Er drängte Schedel von dem Bild fort und ergriff es mit beiden Händen, als wollte er es abhängen. Er ließ es jedoch, wo es war. Mit feierlicher Stimme verkündete er: »Es gibt da eine Legende. Darin verwandelte sich der Heilige Franziskus nach seinem Tod in einen Seraphim!«
    »Genau!« Die Stimme ließ sie allesamt herumfahren. Vor Schreck stieß der Büttel das Bild von seinem Haken, und mit einem lauten Krachen fiel es zu Boden, wo sein Holzrahmen barst.
    Sebald stand in der Tür zum Lochgefängnis.
    Sein Mund war zu einem breiten Lächeln verzogen, das durch die entstellte Narbe plötzlich wie eine unheimliche Maske wirkte. In seinem Blick flackerte heller Wahnsinn.

20. Kapitel
    Zu Johannes’ Verblüffung hatte niemand Interesse daran gezeigt, ihn oder seinen Bruder einzusperren. Nachdem der Bürgermeister und die Büttel in den Tiefen des Lochgefängnisses verschwunden waren, hatte Hartmann von ihm verlangt, mit zu Sebalds Wohnung zu kommen. Der Gedanke, dem Engelmörder gegenüberzutreten, war Johannes jedoch so zuwider gewesen, dass er vor lauter Abscheu ein paar Schritte rückwärts gewichen war. Also hatte Hartmann ihn seufzend zurück ins Kloster geschickt und war allein gegangen.
    Betäubt blieb Johannes noch eine Weile in der Eingangshalle des Rathauses und schaute zu, wie die Ratsherren den übriggebliebenen Bewaffneten Befehle gaben, die Lage in der Stadt unter Kontrolle zu bringen.
    Dann ging er, wie eine Marionette mit hölzernen Schritten, nach draußen. Es regnete immer noch, und ganze Sturzbäche aus Wasser rannen über das Pflaster vor dem Gebäude. Ein Mann lag wimmernd in einer Ecke, das Gesicht zerschlagen und einen Fuß in einem unnatürlichen Winkel abgespreizt. Als er Johannes entdeckte, streckte er eine Hand nach ihm aus. »Helft mir, Pater! Ich bitte Euch!« Wasser lief ihm in breiten Strömen über das Gesicht und verdünnte das Blut, das ihm aus einer Platzwunde in den Haaren rann, zu einem blassen Rosa.
    Johannes kniete sich neben dem Mann nieder. »Wie ist dein Name?« Jetzt erst bemerkte er, dass der Verletzte sehr teure, pelzbesetzte Kleidung trug.
    »Carl Wollner. Ich bitte Euch ...«
    »Schon gut! Ich helfe Euch ja. Wo wohnt Ihr?«
    Wollner nannte ihm eine Adresse in der Krämergasse. Johannes biss die Zähne zusammen. Das würde bedeuten, den Mann den halben Burgberg hinaufzuschleppen. Er überlegte. Das Beste würde sein, ihnmit ins Kloster zu nehmen. Das war nur die halbe Strecke. Und dort konnte man sich erst einmal um seine Verletzungen kümmern.
    »Kommt!« Johannes legte sich den Arm Wollners über die Schulter und zog ihn auf die Füße. »Guter Mann, Ihr seid ganz schön schwer!«, stöhnte er. Dann machte er sich auf den Weg.
    Als er endlich die äußere Klostermauer erreichte, war er schweißgebadet. Wollner hatte bei jedem einzelnen Schritt leise vor sich hingejammert, und er hatte Johannes damit so sehr geärgert, dass der Infirmarius froh war, als ihm über den Nordhof sogleich Guillelmus entgegenkam.
    »Ein Christenmensch, der unsere Hilfe

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