Seraphim
braucht«, sagte Johannes und lud Wollner auf den Schultern seines Famulus ab. Dem Jungen quollen die Augen hervor, aber er beschwerte sich nicht. Wortlos brachte er den Verletzten zum Infirmarium.
Als er fort war, trat Bruder Markus aus den Schatten eines Nebengebäudes. »Nicht der einzige, würde ich sagen. Nicht der einzige.«
Johannes ließ den Kopf hängen und streckte seinen verspannten Nacken. »Habt Ihr gesehen, was dort draußen passiert ist?«
Bruder Markus nickte. In seiner Miene spiegelten sich zu gleichen Teilen Betroffenheit, Angst und wilde Entschlossenheit. »Die Hexenbrut hat Nürnberg fest in ihrem Griff.«
Johannes bewegte den Kopf nach rechts und links. Sein Hals knirschte dabei. »Wie recht Ihr habt!«
»Ich habe allerdings keine höllischen Reiter in der Luft gesehen!«, ließ sich eine Stimme über ihren Köpfen vernehmen.
Johannes sah auf. Sein Nacken protestierte mit einem dumpfen Schmerz. Prior Claudius stand an einem der Fenster des Refektoriums und schaute auf sie herunter.
»Weil sie sich vor den Augen der Ungläubigen zu verbergen wissen!«, zischte Bruder Markus.
Claudius verzog die Miene. »Ich bin Prior dieses Klosters«, gab er kühl zurück. »Ich muss mich von Euch nicht des Unglaubens bezichtigen lassen, auch wenn Ihr Mitglied der Heiligen Inquisition seid und ich nicht!«
»Schon gut!« Bruder Markus schob die Hände in die Ärmel seiner Kutte. »Ihr habt mich falsch verstanden. Selbstverständlich zweifeleich in keiner Weise Euren christlichen Glauben an, der, da bin ich mir sicher, über jeden Zweifel erhaben ist. Dennoch scheint Ihr mir ungläubig in Bezug auf die Hexen und ihre Macht über die Ausgeburten der Hölle. Ich habe inzwischen erfahren, dass Ihr im Loch wart, um diese Jacob, diese Hexe, zu verhören, und ich muss gestehen, ich wundere mich ein wenig darüber. Ihr machtet mir bisher nicht den Eindruck, als seid Ihr sehr überzeugt vom Inhalt des Hexenhammers.«
Claudius’ Blick richtete sich in weite Ferne. »In Wahrheit«, murmelte er, »weiß ich nicht, was ich glauben soll. Die Ereignisse heute in dieser Stadt ...«
»Sind die Schuld einer einzelnen Person, und das ist Euch auch klar!«
Claudius stieß sich vom Fensterbrett ab und verschwand. Kurze Zeit später erschien er unten im Hof. »Von wem sprecht Ihr?«
»Überlegt doch selbst! Begonnen hat es mit dem Mord an diesem Röhrenmeister. Dann der Mord an dem armen Peter Hoger. Beide Männer standen in enger Beziehung zu dieser Katharina Jacob.«
Johannes musste schlucken. Bei aller Angst, die er vor den Teufeln und Dämonen verspürte, fiel es ihm doch schwer, in dieser zierlichen blonden Frau etwas so Böses zu sehen, wie es der Inquisitor offenbar tat. Aber vielleicht war er auch nur zu unwissend, um das zu erkennen, was Bruder Markus bereits deutlich vor sich sah. Der dritte Mord jedenfalls, jener, von dem der Inquisitor noch gar nichts wissen konnte, stand ebenfalls mit Katharina Jacob in Verbindung. Zumindest gekannt hatte sie das Opfer.
»Aber die Morde haben keinerlei übersinnlichen Einfluss erkennen lassen«, widersprach Prior Claudius.
»Natürlich nicht!«, schnarrte Bruder Markus. »Alle diese Männer mussten sterben, weil sie von der Macht dieser Hexe wussten. Kommt mit, es wird Zeit, dass endlich jemand etwas gegen sie unternimmt!«
* * *
»Groß!« Zeuner wollte seinen Männern einen Wink geben, den Lochwirt festzunehmen, aber der stieß jetzt einen so schrecklichen klagenden Laut aus, dass jeder im Raum erschrocken zurückwich.
Nur Hartmann Schedel schien unbeeindruckt. »Sebald!« Hoch aufgerichtet ging er direkt auf den Lochwirt zu. »Wir haben dich überall gesucht!«
Sebald starrte ihm mitten ins Gesicht. Seine Augen!, dachte Katharina. Sie waren gleichzeitig voller Verwirrung und voller Irrsinn. Er blinzelte in rascher Folge, und immer wieder leckte er sich über die Lippen, die nun nicht mehr nur trocken, sondern geradezu rissig waren.
»Jetzt bin ich hier«, flüsterte er. Seine Stimme brach beim letzten Wort, und von einem Lidschlag zum nächsten wirkte er auf Katharina wie ein hilfloses kleines Kind. Er machte einen Schritt in den Raum hinein, hob die Schultern und ließ sie wieder sinken.
»Ja. Das ist gut.« Schedel befand sich nur noch zwei Schritte von ihm entfernt, und plötzlich wimmerte Sebald auf und stolperte voller Angst rückwärts. Die Tür geriet ihm in den Rücken, und er presste sich dagegen.
»Nein!«, jammerte er. »Geh weg, du Teufel, schau mich
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