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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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sich zusammen und fiel in die Griffe der Büttel.
    Katharina konnte den Blick nicht von seinen verstümmelten Fingern abwenden. Sie war sich der Gegenwart Richards bewusst, der die ganze Zeit dicht bei ihr gestanden, aber während des ganzen Gesprächs geschwiegen hatte. Sie schob die Erinnerung an den bunten Vogelflügel in seinem Haus von sich. »Diese Verletzungen an seinen Händen«, flüsterte sie, »sie stammen gar nicht von der Krankheit, oder?«
    Schedel seufzte schwer. »Nein.« Er seufzte noch einmal. »Sie stammen vom Nachrichter. Oder sagen wir, von beidem. Der Nachrichter hat seine Finger in Daumenschrauben gespannt, und weil die Krankheit bereits zuvor den Blutfluss in ihnen beeinträchtigt hatte, starben sie gänzlich ab. Ich musste sie abnehmen.«
    Katharina spürte, wie ihr schlecht wurde. »Du hast den Mord an jenem Pietro nicht gestanden?«, meinte sie zu Sebald. Es war mehr eine Vermutung als eine Frage.
    Sebald schüttelte heftig den Kopf. »Ich war es nicht!«
    »Er kam frei dadurch. Der Nachrichter behauptete, dass jemand, der seine Folter ohne Geständnis überstehen konnte, nur von Gott selbst geschützt worden sein kann. Man erklärte ihn für unschuldig.« Schedel hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Alles an ihm wirkte jetzt abwehrbereit, als stünde er selbst auf der Anklagebank. »Kurz darauf verließen Johannes und ich Padua und kamen hierher nach Nürnberg. Sebald und seine Mutter, die meine Dienstmagd war, nahmen wir mit.«
    »Ja.« Sebald lachte auf. Es klang bitter; bitter und so zornig, wie Katharina ihn noch nie zuvor erlebt hatte. »Und weil Ihr ein schlechtes Gewissen hattet, habt Ihr Euren Einfluss hier dafür benutzt, mir diese Arbeit im Loch zu besorgen. Gut bezahlte Arbeit! Nur, dass Ihr Euch jetzt nicht mehr sicher seid, ob ich nicht vielleicht doch den Verstand verloren habe.«
    »Er war es nicht!«, murmelte Sigrid, die inzwischen auf einem der Küchenstühle saß und ihre knotigen Hände betrachtete.
    Das ganze Gespräch war an Richard vorbeigerauscht, ohne dass er es richtig erfasst hatte. Seine gesamte Aufmerksamkeit galt Katharina, und die Erleichterung, dass Sebald rechtzeitig gefasst worden war, bevor es ihm gelungen war, aus ihr den vierten Engel zu machen, ließ seine Hände zittern. Am liebsten hätte er sie gepackt, sie mit sich gezerrt und wäre mit ihr so weit wie möglich von dem allem hier davongeeilt.
    »Das werden andere zu entscheiden haben«, sagte Zeuner in diesem Moment. Er griff nach dem Schlüsselbund an seinem Gürtel. Richard wusste, dass es, wie bei jedem Mitglied des Rates, das als Lochschöffe tätig war, die Schlüssel zum Loch und seinen Zellen enthielt.
    Sebalds Augen weiteten sich. »Was habt Ihr vor?«
    »Wir werden Euch zunächst in einer der Zellen einschließen. Dann gehen wir nachsehen, ob sich die Lage in der Stadt etwas beruhigt hat.« Er wies mit dem Kinn auf die Treppe, die zum Lochgefängnis hinunterführte. Die Büttel wollten Sebald herumdrehen.
    Und dann ging alles ganz furchtbar schnell.
    Sebald machte einen Satz in Zeuners Richtung. Bevor einer derBüttel reagieren konnte, hatte der Lochwirt seine Hände weit genug frei bekommen, um Zeuner den Dolch aus dem Gürtel zu reißen.
    Katharina schrie auf. Die Klinge fuhr durch die Luft, traf einen der Büttel am Handgelenk. Der Mann brüllte auf, ließ Sebald los. Und der warf sich zur Seite, so dass auch dem zweiten Büttel sein Arm entglitt.
    »Sebald!«, rief Katharina. »Nein!« Sie machte einen Schritt vor, doch Richard packte sie und riss sie zurück.
    Der Lochwirt griff mit der zweiten Hand an das Heft der Waffe, richtete sie gegen sich selbst und stach zu. Blut schoss als breiter Schwall aus seiner Bauchdecke. Seine Augen weiteten sich, die Klinge entglitt seinen Fingern und polterte zu Boden.
    »Sebald!« Sigrid brüllte seinen Namen als schmerzvollen Schluchzer.
    Sebald brach in die Knie.
    Katharina presste beide Hände vor den Mund. Die Geste, mit der sie ihre Schultern aus Richards Griff befreite, wirkte zornig, doch er hatte kaum Gelegenheit, darauf zu achten.
    Sebald fiel vornüber. Im nächsten Augenblick war sie bei ihm. Richard wollte sich neben ihr niederknien, doch sie richtete ihren Blick in sein Gesicht, und er konnte darin lesen, dass sie seine Nähe nicht wollte. Nicht in diesem Moment. Mit zusammengebissenen Zähnen blieb Richard, wo er war, und sah zu, wie sich die Blicke aus Sebalds großen, umschatteten Augen auf ihre Züge hefteten.
    »Warum hast du

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