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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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gibt eine Prüfung, die uns innerhalb von wenigen Minuten sagt, ob diese Frau eine Hexe ist oder nicht!«
    Das Getuschel unter den Umstehenden wurde lauter. Der Prior hob die Hand und bat um Ruhe.
    Er schaute Katharina in die Augen. »Sie ist nicht ganz ungefährlich für Euch«, sagte er leise zu ihr. »Aber wenn Ihr sie besteht, dann seid Ihr über jeglichen Zweifel erhaben!«
    »Wovon sprecht Ihr?« Die weiche Haut an Katharinas Kehle schmerzte, wie sie es früher immer getan hatte, wenn sie als Kind versucht hatte, das Weinen zu unterdrücken.
    »Von der Wasserprobe.«
    »Der Hexenhammer sieht die Wasserprobe nicht als probates Mittel zur Wahrheitsfindung vor!«, rief Krainer.
    »Das ist wohl richtig«, entgegnete der Prior. »Aber er lässt sie dennoch zu. Wenn eine Angeklagte von sich aus darum bittet!«
    »Was ist die Wasserprobe?«, fragte Katharina.
    Krainer gab die Antwort. »Ein Angeklagter wird auf ein Holzkreuz gebunden und ins Wasser geworfen. Geht er unter, so ist er unschuldig. Schwimmt er, so steht fest, dass er mit dem Teufel im Bunde ist.«
    Eine kalte Hand griff nach Katharinas Herz. »Das bedeutet, wer unschuldig ist, muss sterben!«
    »Nein!« Der Prior erhob seine Stimme, so dass alle Umstehenden ihn hören konnten. »Ihr alle habt eben selbst gehört, wie der Herr Inquisitor sagte: Geht der Angeklagte unter, so gilt er als unschuldig. « Er sah Zeuner an, der seinem eindringlichen Blick standhielt, bis erst ein Ausdruck von Verstehen, dann einer des Erschreckens über das Gesicht des Bürgermeisters glitt.
    Schließlich gab sich Zeuner einen Ruck und machte die Umstehenden auf sich aufmerksam. »Um diese Angelegenheit auf der Stelle aus der Welt zu schaffen«, rief er, »und den Menschen in der Stadt die Angst zu nehmen, dass diese Frau etwas mit den Vorgängen heute zu tun hat, beantrage ich, Katharina Jacob auf der Stelle der Wasserprobe zu unterziehen!«

21. Kapitel
    Es war eine Frage von wenigen Minuten, dann fiel die Entscheidung. Die anwesenden Ratsherren berieten sich kurz, dann gab der Stadtrichter Zeuner die offizielle Erlaubnis, an Katharina Jacob auf der Stelle die Wasserprobe durchführen zu lassen.
    Zwei Büttel stellten sich rechts und links von ihr auf, und einer von ihnen musterte sie mit einem Ausdruck von Abscheu und Genugtuung. Es war Ludwig mit den schiefen Zähnen. Mehrere weitere Bewaffnete griffen nach Laternen und Fackeln und entzündeten sie an den Lichtern, die in der Halle brannten. Zeuner bestimmte auf Anraten von Prior Claudius drei Männer des Stadtrates zu Zeugen der Angelegenheit. Der Richter war unter ihnen und ein noch recht junger Mann, der den Namen Mullner trug. Den dritten, einen feisten, kurzatmigen Kerl mit dichten braunen Locken und einer Adlernase, kannte Katharina nicht.
    Nachdem alle Vorbereitungen getroffen waren, formierte man sich zu einem Zug, ganz ähnlich jenem, der am Morgen Joachim Gunther zum Rabenstein geleitet hatte. Katharina wurde gebunden und abgeführt. Bevor sie das Rathaus zwischen Ludwig und dem anderen Büttel verließ, wandte sie sich nach Richard um. Er nickte ihr zu, und durch das Entsetzen und die Angst, die nun in ihr aufstiegen, drängte sich ein winziger Funken Hoffnung. Er würde ihr beistehen.
    Als sie die Stufen des Rathauses hinuntergingen und sich Richtung Westen wandten, beeilte sich Prior Claudius, an ihre Seite zu kommen. »Bete, Tochter«, raunte er ihr zu. »Bete! Du bist unschuldig, und die heilige Jungfrau wird dir helfen.«
    Aber Katharina vermochte nicht zu beten. Sie vermochte nicht einmal, einen klaren Gedanken zu fassen. Wie eine Puppe, die plötzlich lebendig geworden war, schritt sie zwischen den Bütteln einher, und ihr Geist war so leer wie eine vergessene Dachkammer. DieSpinnweben wurden von der Angst in Schach gehalten. Katharina zwang sich, ihre Sinne zu schärfen. Sie spürte die feuchte, durch das Gewitter abgekühlte Nachtluft auf ihrer Haut. Ein Luftzug fuhr ihr durch die Haare, die noch immer unzüchtig unbedeckt waren. Die zu kleinen Schuhe Sigrids scheuerten an ihren Zehen.
    Der Inquisitor kam neben sie, sprach ein paar lateinische Formeln, die sie nicht verstand, und hielt dabei sein silbernes Kreuz vor ihr Gesicht. Dann schwieg er, den Mund zu einem schmalen Strich zusammengepresst und die Augen im flackernden Licht der Laternen und Fackeln düster.
    Sie gingen am Augustinerkloster vorbei, dann durch eine Gasse, und schließlich verließen sie die Stadt durch eine kleine Fußgängerpforte in

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