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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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und glitschig an wie ein Fisch.
    »Ihr habt mich gebeten, zu Euch zu kommen«, sagte Richard. »Worum geht es?«
    »Nun, zunächst einmal bitte ich Euch darum, das zu tun, worum ich Euch ausgeschickt hatte, als man den ersten Engeltoten fand. Berichtet mir alles, was Ihr über die Vorgänge in der Stadt wisst.«
    »Stadtrat Zeuner wird Euch und den anderen Ratsherren einen ausführlichen Bericht abliefern.« Richard nahm seinen Hut ab und legte ihn auf Pömers Pult. Dabei fiel sein Blick auf das Blatt, an dem der Getreidehändler gerade schrieb. Er hatte eine kleine, krakelige Schrift, die Richard nicht entziffern konnte, aber anhand einer Zeichnung erkannte er, dass es sich um eine medizinische Schrift handeln musste.
    Pömer verzog den Mund, als er sah, worauf Richard schaute. »Oh, wie Ihr seht, als Zeichner tauge ich wenig. Könnt Ihr erkennen, was das darstellen soll?«
    Richard schüttelte den Kopf und nahm das Blatt an sich. Er drehte es richtig herum, aber noch immer konnte er anhand derschwarzen Linien nicht viel erkennen. »Sieht aus wie eine Hand, aber sie wirkt irgendwie unproportioniert.« Er fuhr mit dem Nagel des Zeigefingers darüber.
    »Es soll eine verstümmelte Hand sein. Die beiden kleinen Finger fehlen und der Daumen.«
    »Ah!« Jetzt erkannte Richard es. »Ihr solltet Euch überlegen, Marquard Eure Schriften illustrieren zu lassen.«
    Pömer lachte auf. »Wahrscheinlich habt Ihr recht!«
    Richard legte das Blatt zurück auf den Stapel. Dann kam er Pömers Aufforderung nach und gab ihm einen umfassenden Bericht der letzten Tage ab.
    »Schlimme Sache!«, murmelte Pömer, und sein Gesicht sah dabei so verknittert aus wie das eines uralten zahnlosen Jagdhundes. Er watschelte zu einem Schrank, öffnete ihn und entnahm ihm eine Karaffe und zwei Gläser. Ohne die Schranktür wieder zu schließen, ging er zu einem kleinen Tisch mit mehreren Lehnstühlen, stellte die Gläser darauf ab und goss eine leicht dickliche dunkelrote Flüssigkeit ein. Einen der beiden Becher reichte er Richard. Der roch daran. »Was ist das? Wein?«
    »Ein neuer Wein aus Italien, ja. Sehr süß und sehr lecker. Probiert unbedingt, Ihr werdet begeistert sein!«
    Richard zögerte. Es war noch früh am Tag, und er hatte soeben einen ganzen Krug vom Bier des Wirtes aus dem Spittlertorviertel getrunken. Wenn er jetzt auch noch starken Wein in sich hineinkippte, würde ihm recht bald der Kopf schwirren. »Ich glaube, es ist besser, wenn ich ihn ein bisschen verdünne.«
    Seine Worte ließen Pömer laut auflachen. »Das ist aber nicht Euer Ernst, oder?«
    »Warum nicht?«
    Pömer wies mit dem Kinn in Richtung Fenster. »Da draußen ist eine halbe Stadt wahnsinnig geworden. Was meint Ihr, woran das liegt?« Als Richard ihm keine Antwort gab, tat er es selbst. »Wenn ich eine Stadt vergiften müsste, dann würde ich es mit Hilfe der Brunnen tun, mein Lieber!«
    »Aber Zeuner hat festgestellt, dass der Brunnen am Rabenstein nicht vergiftet gewesen ist.«
    »Habt Ihr schon einmal etwas davon gehört, dass Gift seine Wirkung mit der Zeit verlieren kann?« Pömer nahm einen tiefen Schluck von seinem Wein und seufzte wohlig auf.
    Richard nippte nur kurz. Das Getränk war tatsächlich schwer und süß und schmeckte nach schwarzen Kirschen. Er tat einen längeren Zug. »Wollt Ihr mir jetzt endlich erzählen, wozu Ihr mich herbestellt habt?«
    »Natürlich. Nun, diese ganzen Ereignisse in den letzten Tagen haben mich zu der Überlegung gebracht, dass wir vielleicht aufhören sollten mit unseren Forschungen.«
    Diese Eröffnung kam unerwartet für Richard, aber er war erleichtert darüber, dass Pömer dieses Thema ansprach. Das Gespräch mit Arnulf hatte ihm klar gemacht, dass es an der Zeit war, Frieden zu geben.
    »Warum nicht?«
    Pömer sah erstaunt aus. »Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Ihr so schnell beipflichtet! Um so froher bin ich nun. Wäret Ihr so freundlich und würdet mir helfen, den toten Jungen dort unten aus meinem Keller zu schaffen?«
    * * *
    Katharina blieb noch eine Weile auf der Bank sitzen und genoss die frische Nachtluft. Dann stand sie auf und begann, ziellos durch die Stadt zu schlendern. Auch jetzt mied sie die Nähe des Henkersteges, überquerte die Pegnitz auf der Holzbrücke beim Barfüßerkloster und streifte dann durch die Gassen der Lorenzer Stadt, vorbei am Friedhof der großen Hauptkirche, der von einer hüfthohen Einfriedung umgeben war, vorbei an den hohen Mauern des Kartäuserklosters und im Schatten der

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