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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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und stellte diesen in das Wasserbad.
    Im nächsten Moment hustete er heftig, der beißende Geruch, der dem Gefäß entströmte, brachte Richards Augen zum Tränen. Er wandte den Kopf ab und hielt sich die Hand vor Mund und Nase. »Bei Gott: Was macht Ihr da?«
    Pömer war jetzt völlig in seine Arbeit versunken. Mit einem hölzernen Löffel rührte er in dem Metalltopf herum. Wieder hustete er, und in Richard keimte der Verdacht, dass er soeben den Grund für die heisere Stimme des Getreidehändlers gefunden hatte.
    Eine ganze Weile schaute Richard einfach zu, wie Pömer rührte. Die Ungeduld, zu erfahren, was das hier alles zu bedeuten hatte, wuchs dabei in ihm immer mehr, und so war er froh, als sich der Getreidehändler endlich seiner wieder bewusst wurde.
    »So«, sagte er und legte den Löffel fort. »Ich denke, ich bin Euch eine Erklärung schuldig.« Seine Augen glänzten, und dann glitt sein Blick über Richards Schulter hinweg zu etwas hinter ihm. Richard wollte sich umdrehen, aber er war zu langsam.
    Etwas krachte mit Gewalt auf seinen Hinterkopf und löschte alles Empfinden aus.
    Das Erste, was er wahrnahm, als er wieder erwachte, war die große Kälte, die in der Höhle herrschte und die ihm zuvor kaum aufgefallen war. Seine Glieder zitterten unkontrolliert, und seine Zähne schlugen in schnellem Rhythmus aufeinander. Er lag auf einer harten Oberfläche, und als er mit den Fingerspitzen darübertastete, spürte er feine Rillen. Ein Holztisch.
    Er versuchte, die Augen zu öffnen, aber es gelang ihm nicht. Etwas verklebte seine Lider. Er wollte die Arme heben und über sein Gesicht tasten, aber er konnte sich nicht rühren. Seine Arme und Beine waren auf der harten Unterlage festgebunden. Er bewegte die Muskeln an Stirn und Wangen, und endlich hoben sich seine Lider. Sein Kopf schmerzte, und ihm war übel. Etwas schien mit seinen Augen nicht in Ordnung zu sein. Er sah alles verschwommen in eine Art hellen Nebel getaucht, als blicke er durch eine dicke Glasscheibe in einen grell erleuchteten Raum. Um den Blick zu klären, blinzelte er, wobei seine Wimpern sich ineinander verfingen.
    Rings um ihn herum standen auf Leuchtern ungezählte Kerzen. Ihr Licht überstrahlte alles, was jenseits ihres Kreises lag, und machte es damit unsichtbar. Ihr Strahlen verstärkte die Übelkeit, die in Richards Eingeweiden rumorte. Wo war er? Bohrender Kopfschmerz quälte ihn, und er bäumte sich gegen die Fesseln auf. Es hatte keinen Sinn. Sie hielten ihn fest und sicher auf der hölzernen Unterlage. Der Fluch, der Richard entschlüpfte, war lästerlich.
    »Na, na! Wer wird denn so hässliche Dinge sagen?«
    Richard drehte den Kopf, und ihm wurde schwindelig dabei. »Marquard?«, murmelte er. »Habt Ihr mich niedergeschlagen? Habt Ihr mich gefesselt?«
    Der Maler hatte sich außerhalb des Kerzenscheins aufgehalten, doch jetzt trat er zwischen zwei Leuchtern hindurch und blickte auf Richard hinab.
    In seinem Gesicht stand etwas, das Richard nicht zu deuten wusste, eine brennende Neugierde, gemischt mit etwas sehr Finsterem. Ein ums andere Mal biss sich Marquard auf die Unterlippe, saugte daran und schob sie mit der Zunge wieder zwischen seinen Zähnen hervor. Seine Augen waren gerötet, und sein Blick flackerte.
    Jetzt sah Richard auch, dass schräg hinter dem Maler Enzo Pömer stand, wie angewurzelt, mit erschrockenem Blick und unbändiger Angst in der Miene.
    »Pömer, was soll das?«, fuhr Richard ihn an.
    »Er ...« Pömer wies auf Marquard. »Ich ...« Er verstummte und hob hilflos die Schultern, als der Maler ihm einen flammend-zornigen Blick zuwarf. »Ich kann nichts dafür!«
    Richard drehte den Kopf in die andere Richtung. Eine schwarze Wand befand sich dicht vor seinen Augen, die sich sachte im Luftzug bewegte. Silbrige Fäden durchzogen sie, und er begriff, dass es die Stoffbespannung hinter dem Labortisch sein musste. Er befand sich auf ihrer Rückseite.
    Seine Fingerspitzen strichen über eine Rinne am Rand der Unterlage, auf der er aufgewacht war, und urplötzlich wurde ihm bewusst, was es war, worauf er lag.
    Ein Seziertisch!
    Erneut bäumte er sich gegen die Fesseln auf. Erneut war er erfolglos.
    »Pömer!«, schrie er. Seine Stimme wurde als vielfältiges Echo zu ihm zurückgeworfen.
    Marquard lächelte sanft. Dann griff er nach einem der Kerzenleuchter, ging zu Pömer und legte ihm den Arm um die Schultern. Der Getreidehändler starrte ihm aus angstvollen Augen ins Gesicht, wehrte sich jedoch nicht gegen die

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